Das weltweit kleinste voll implantierbare Kunstherz wird derzeit an der RWTH Aachen entwickelt. Angesichts des großen Mangels an Spenderorganen könnte das Plastikherz künftig vielen Menschen das Leben retten.
Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) stellte das Forschungsprojekt am Freitag als Paradebeispiel für nordrhein-westfälisches Innovationspotenzial auf Welt-Niveau vor. Landesregierung und EU fördern das 4,8 Millionen Euro teure Vorhaben mit insgesamt 4,3 Millionen Euro.
Der Aachener Universitätsprofessor Ulrich Steinseifer rechnet damit, dass das Plastik-Herz nach den laufenden Tierversuchen erstmals Anfang 2015 in einer klinischen Studie an Menschen erprobt werden kann.
Das nur 800 Gramm schwere Modell, das Steinseifer am Freitag in die Düsseldorfer Staatskanzlei bringt, ist für viele Patienten nicht nur die Hoffnung auf Überleben, sondern auch auf eine lebenswerte Zukunft. Denn sein amerikanischer Standard-Vorläufer - bislang weltweit etwa 1000 Mal eingesetzt, so der Professor - muss über infektionsanfällige Schlauchverbindungen und eine externe Pumpe mit Luft versorgt werden. Der Patient sei dadurch stets mit einer Art Einkaufswagen an seine Pumpe angebunden.
Steinseifers Kunstherz dagegen erhält kabellos über die Haut Strom aus Akku-Packs, die der Patient in einer Weste trägt. Eine mitimplantierte Pufferbatterie gewährt ihm Bewegungsfreiheit für etwa eine Dreiviertelstunde, in der die Weste abgelegt werden kann - etwa, um frei duschen zu können, berichtet der Leiter des Forschungsbereichs Kardiovaskuläre Technik.
«Kunstherzen sind bislang immer nur eine Brücke bis zur Transplantation eines Spenderorgans. Auf lange Sicht könnte es aber ein Kunstherz geben, das drinnen bleibt.» Fünf Jahre soll der Lebensretter aus Aachen mindestens im Körper bleiben können. 40 Millionen Schläge pro Jahr muss es leisten. Das bisherige Schlauch-Modell, das derzeit weltweit etwa 120 Mal pro Jahr eingepflanzt werde, könne nur zwei Jahre arbeiten. Es kostet 125.000 Dollar (102.000 Euro). Für das Aachener Modell werden nur 50.000 Euro angepeilt. Abstoßungsreaktionen könne es bei seinem «biokompatiblen Kunststoff» nicht geben, sagt Steinseifer. Dadurch sei es günstiger für die Kassen, denn Medikamente, die die Immunabwehr gegen ein fremdes Organ unterdrücken, seien teuer.
Neue Anwendung für Krankentransport
In einer älter werdenden Bevölkerung seien innovative medizinische Lösungen unverzichtbar, betonte Steffens. Dazu stellte sie auch ein Beispiel aus Münster vor: Das Universitätsklinikum Münster hat gemeinsam mit dem Traumanetzwerk Nordwest ein intelligentes web-basiertes Netz entwickelt, um Schwerstverletzte möglichst schnell in die beste und nächste Klinik zu bringen.
Eine Handy-App bringt Notärzte, Leitstelle und Krankenhäuser mit einem Tastendruck ohne Umwege zueinander. Röntgenbilder und Patientendaten können über das Netzwerk ausgetauscht werden, bevor der Patient in der Klinik eintrifft. Auch wo der Rettungshubschrauber sich gerade befindet, erfährt der Notarzt über GPS. Andernorts würden Röntgenbilder oft noch mit dem Taxi transportiert und der Notarzt finde häufig nicht schnell genug ein aufnehmendes Krankenhaus, berichtete der leitende Oberarzt des Universitätsklinikums Münster, Thomas Vordemvenne.
Jetzt gehe es darum, die lebensrettende Telematik möglichst schnell im ganzen Land einzusetzen - nicht nur für Traumapatienten, sondern etwa auch bei Schlaganfall oder Herzinfarkt, sagte Steffens. «Manchmal entscheiden Sekunden - nicht nur über Leben oder Tod, sondern auch über Lebensqualität oder lebenslangen Pflegebedarf.»
Von Bettina Grönewald, dpa - Foto: Peter Winandy