Die 1860 in Trier geborene Clara Viebig war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der meistgelesenen deutschen Schriftstellerinnen, persönlich bekannt mit Theodor Fontane, von Literaturkennern bereits zu Lebzeiten in einem Atemzug mit dem bekanntesten Vertreter des Naturalismus, Gerhard Hauptmann, genannt.
Wer ist diese ungewöhnliche Frau, die unter anderem die Romane "Das Kreuz im Venn" und "Das Weiberdorf" schrieb?
Im Grunde zu Unrecht wird Clara Viebig häufig exklusiv als "Eifeldichterin" bezeichnet. Zwar hatte sie einen starken Bezug zu diesem Landstrich, den sie in ihrer Kindheit und Jugend von Trier und Düsseldorf aus kennenlernte. In diese beiden Städte war ihr Vater als preußischer Oberregierungsrat geschickt worden.
Beide Elternteile stammten aber aus Posen, wo ebenso ein Teil der literarischen Dichtung Clara Viebigs spielt, wie in Berlin, wohin sie und die Mutter 1893 nach dem Tod des Vaters zogen. Bis im hohen Alter von 92 Jahren lebte sie dort. Beigesetzt wurde sie aber auf Wunsch im Grab ihres in Düsseldorf beerdigten Vaters.
"Das Weiberdorf"
Der entscheidende Durchbruch als Schriftstellerin gelang Clara Viebig im Jahr 1900 mit dem Eifelroman "Das Weiberdorf". Schon der Vorabdruck in der Frankfurter Zeitung sorgte für einen Skandal, und das Buch kam auf den Index der Katholischen Kirche. Das sollte seiner Popularität allerdings keinen Abbruch tun. Wenn man weiß, dass Clara Viebig Emile Zolas "Germinal" als literarisches Vorbild für ihre naturalistischen Milieubeschreibungen bezeichnete, dann wird schnell klar, dass die gängigen Bezeichnungen "Eifeldichterin" und "Eifelroman" so gar nichts mit Idylle, Romantik oder Heimatdichtung zu tun haben.
Krass und unverblümt schildert die Autorin die existentielle Not des weitaus größten Teils der damaligen Bevölkerung, thematisiert Doppelmoral und sexuelle Freizügigkeit und das Ringen der Frauen um ein bisschen Selbstbestimmung. Kein Wunder, dass die Kirche den Roman "Das Weiberdorf" als "sittenverderbendes Machwerk" verurteilte.
Die Inspiration für den darin verarbeiteten Stoff fand die inzwischen Vierzigjährige, die ja mittlerweile längst in der deutschen Hauptstadt lebte, bei vielen Besuchen und Aufenthalten in der Eifel, namentlich in Bad Bertrich. Die knapp 300 Seelen zählende Ortschaft Eisenschmitt im Kreis Bernkastel-Wittlich diente der Schriftstellerin dabei für ihren ersten großen Erfolg als Schauplatz. Die Bewohner sprühten vor Wut, weil sie sich in den dargestellten Charakteren verunglimpft fühlten.
"Die Passion"
Das ist mittlerweile Geschichte. Inzwischen rühmt sich das Eifeldörfchen in der Verbandsgemeinde Manderscheid, nur wenige Kilometer vom Kloster Himmerod entfernt, seines Clara-Viebig-Zentrums, wo am Samstag eine Ausstellung anlässlich des 60. Todestages der Schriftstellerin eröffnet wurde. Die Clara-Viebig-Gesellschaft in Bad Bertrich veröffentlicht unterdessen im Rahmen des Jubiläumsjahres zwei Werke: Zum einen handelt es sich um die Neuauflage des erstmals 1925 erschienenen Romans "Die Passion", in dem es um die Ausgrenzung und die Schuldfrage im Zusammenhang mit einer ererbten Sexualkrankheit geht. Zum anderen veröffentlicht die Gesellschaft im Rhein-Mosel-Verlag erstmals die autobiografischen Erinnerungen von Clara Viebigs Sohn Ernst, dem einzigen Kind ihrer Ehe mit dem jüdischen Verleger Fritz Cohn.
Sicherlich ist eines ihrer größten Verdienste, den Landstrich und die Landschaft der Eifel für die Literatur entdeckt zu haben. Der Region und ihren Menschen hat sie ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Clara Viebig: eine hochinteressante Frau zwischen Vergessen und Wiederentdecken. Mehr und mehr werden ihre realitätsnahen und spannenden Geschichten wieder gelesen. Eine erfreuliche Entwicklung - 60 Jahre nach dem Tod der einstigen Bestseller-Autorin.
Ihr verdankt das Dorf Manderfeld übrigens sein früheres Krankenhaus. Mit der Novelle "Im Rosengarten", die 1908 in der Kölnischen Zeitung veröffentlicht wurde, gelang es Clara Viebig nämlich, eine riesige Spendenwelle auszulösen, um den Bau des Krankenhauses zu ermöglichen. Das ehemalige Spital im Zentrum von Manderfeld dient seit 2001 dem Roten Kreuz als Aufnahmezentrum für Asysuchende.
Clara Viebig-Abend in Kommern
Eine ganz besondere Gelegenheit, Clara Viebig wieder- oder neu zu entdecken, bietet sich am Dienstagabend im Freilichtmuseum Kommern: in Form von Sprache und Gesang, mit der WDR-Moderatorin Katia Franke, Viebig-Kennerin Clara Wahl und der Sopranistin Sieglinde Schneider. Beginn ist um 19 Uhr im historischen Tanzsaal des Freilichtmuseums Kommern. Der Eintritt beträgt 12 Euro.
Bild: ZVS