Na klar: Recht hat er, der Ministerpräsident. "Deutschsprachige Gemeinschaft" - dieser Name ist weder besonders griffig noch eingängig. Aber sollte man ihn deshalb abschaffen, ersetzen? Einfach weg damit? Die Flamen sind Flamen, die Wallonen Wallonen. Sagt er. Und was sind wir? Deutschsprachige Belgier, Mitglieder der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Oder, wie er wörtlich sagt, "wenn wir touristisch was anfangen wollen, dann nennen wir uns Ostbelgier".
Was geographisch sicherlich richtig ist, aber territorial zu weit geht. Schließlich sind wir nur ein - kleiner - Teil des belgischen Ostens. Also, bitte, ein bisschen mehr Bescheidenheit. Politisch betrachtet fehlt dem Namen Deutschsprachige Gemeinschaft die territoriale Dimension. Er sagt nichts aus über unsere Herkunft, unsere Heimat, unser Zuhause, und auch nichts über die Zuständigkeiten, die wir haben.
Zuständigkeiten, die oft fälschlicherweise mit Kompetenzen gleichgesetzt werden. Wofür man zuständig ist, impliziert nicht zwangsläufig, dass man auch die Kompetenzen dafür hat. Aber das nur am Rande. Also: Territorial betrachtet heißt Deutschsprachige Gemeinschaft nichts. Und dann die sprachliche Komponente: deutschsprachig - das sind viele in Europa. Schweizer, Österreicher, Liechtensteiner, so mancher Luxemburger und sogar der eine oder andere Mensch aus Bayern. Und als Gemeinschaft kommen sogar Salafisten, Zeugen Jehovas oder die katholische Laienorganisation Opus Dei daher.
Laut "Wikipedia" ist unter Gemeinschaft einerseits eine zu einer Einheit zusammengefasste Gruppe von Individuen zu verstehen, die emotionale Bindekräfte aufweist mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl (Wir-Gefühl), und andererseits eine Rechtsgemeinschaft, eine Vertragsgemeinschaft. De facto ist die Deutschsprachige Gemeinschaft aber ein Teilstaat, ein "Kleingliedstaat", ein Bundesland im Föderalsystem - also deutlich mehr als eine Gemeinschaft. "Deutschprachige Gemeinschaft" - Unsinn?
Bis 1983 hieß diese unsere Gemeinschaft Kulturgemeinschaft und zwar "Deutsche Kulturgemeinschaft". Aus "deutsch" wurde dann "deutschsprachig" - politisch nicht unbedingt korrekt, aber unverfänglicher. Zumindest durfte man annehmen, dass eine "Deutschsprachige Gemeinschaft" besser ins belgische Konzert und Konzept passte als eine "Deutsche Gemeinschaft". Die zum Teil verbittert geführten Kämpfe um belgische, deutsche, belgisch-deutsche oder ostbelgische Identität verloren im Laufe der Jahrzehnte an Dramatik und die einstige Kultur- und Sprachenpartei PDB sogar ihre Existenz.
Soweit wird es jetzt nicht kommen. Die "Deutschsprachige Gemeinschaft" wird weiterhin existieren, so lange es dieses Land Belgien noch gibt. Auch wenn der Name nicht wirklich passt. Dabei ist die Abkürzung "DG" längst zu einer Marke geworden. Teddybären- und Aufkleberaktionen, vom Ministerpräsidenten höchstselbst erfolgreich inszeniert, hatten ihren Anteil daran. Inzwischen ist den meisten DG synonym für "Deine Gemeinschaft" und nicht für "Dumm gelaufen".
Wo also ist das Problem? Liegt es darin, dass "Deutschsprachige Gemeinschaft" den Geschmack von unvollkommen und unfertig hat? Die DG ist eben so: auf dem Weg, in der Entwicklung, vor neuen Herausforderungen. Lasst uns mit der alten Marke leben - so lange, bis jemand kommt, der den genialen Einfall hat. Vielleicht in Richtung Degistan oder so ähnlich.
Aber das als Marke einzuführen und zu etablieren, würde Jahre dauern, Unmengen an Geldern verschlingen, zahllose Mannstunden verbrauchen. Man müsste Empfänge, Reden, Sommerfeste zuhauf organisieren, Auslandskontakte multiplizieren, alle Welt einladen, um zu vermitteln, dass wir jetzt anders heißen. Ich für meinen Fall bin dann mal lieber konservativ...
Genau, Herr Schroeder, und wenn man Journalist ist, impliziert das nicht zwangsläufig, dass man die Kompetenzen dafür hat.
Je älter man wird umso mehr neigt man dazu Veränderung zu scheuen, nicht wahr Herr Schröder? Dass es Jahre dauern würde und "Unmengen" an Geld und Manpower verschlingen würde, das Schreckensszenario an die Wand zu malen "zuhauf Sommerfeste organisieren zu müssen", all das zielt nur darauf ab alles bloss so zu lassen wie es ist.
Wenn dass ein erstrebenswertes Ziel sein sollte, dann hätte man auch vor Jahren nie damit angefangen das Kürzel DG überhaupt erst zu etablieren. Heute ist es fast schon selbstverständlich - Gott sei dank!
Eine lebendige Gemeinschaft sollte sich aktiv um Veränderung im Sinne von Evolution bemühen. Zukunft gestalten statt Stillstand verwalten sollte für alle Politiker Pflicht sein - auch für Konservative - und auch die Journalisten sollten hier nicht mauern. Bedenkenträger haben wir genug - meine ich.
Alle Bürger sollten die Reise der DG aktiv mitzugestalten und die DG weiter entwickeln. Hierzu gehört in jedem Falle, neben einem neuen Gedenktag, ein eigener Name zu dem man einen Wettbewerb ausloben sollte bei dem man Name, Logo und Slogan einreichen kann. Die DG wird erwachsen - machen wir uns auf den Weg!