Es ist, wie so oft, in Europa ein Kompromiss dabei herausgekommen - ein Jahr, nachdem Agrarkommissar Dacian Ciolos seine Vorschläge für eine neue europäische Milchpolitik ab 2015 präsentiert hatte.
Erstmals sollen auf europäischer Ebene Erzeugerorganisationen anerkannt werden, die für ihre Mitglieder kollektiv Verträge mit Molkereien aushandeln dürfen.
Als Obergrenzen sollen dabei die Vorschläge der Kommission gelten: So dürfen maximal 33 Prozent der nationalen Milchmenge und 3,5 Prozent der europäischen Menge gebündelt werden. Ausnahmen für diese Mengenbegrenzung gelten allein für kleine Staaten wie Luxemburg: Dort sind es bis zu 45 Prozent der nationalen Menge.
Und die EU-Mitgliedsstaaten sollen künftig selbst darüber entscheiden können, ob die Milcherzeuger und Molkereien Lieferverträge abschließen müssen. Sie können dann sogar eine Vertragsdauer von mindestens sechs Monaten vorschreiben, die die Milcherzeuger aber ablehnen können. Wird Milch über die Grenzen hinweg geliefert, gelten die Bedingungen des Ziellandes. Um zu kontrollieren, wie sich die neuen Regeln auf Erzeuger in benachteiligten Gebieten auswirken, soll die Kommission 2014 und 2018 Lageberichte vorlegen.
Zufrieden
Der Belgische Bauerbund äußert sich "zufrieden" darüber, dass die europäische Milchpolitik den Weg freimacht für Erzeugerorganisationen. Was die Lieferverträge angeht, tritt der Bauernbund für Verträge mit unbefristeter Laufzeit ein, bei denen die Kündigungsfristen eindeutig vereinbart würden. Der mit dem Dachverband der belgischen Milchindustrie ausgehandelte Verhaltenskodex sieht unterschiedliche Kündigungsfristen für beide Parteien vor: nämlich drei Monate für die Erzeuger und fünf Monate für die Abnehmer.
Wie Guy Vandepoel vom Studiendienst des Bauernbundes unterstreicht, gelten die im Milchpaket enthaltenen Maßnahmen nicht für genossenschaftlich organisierte Molkereien und ihre Mitglieder. Grundsätzlich regelten hier die Statuten die jeweiligen Rechte und Pflichten und die Lieferbedingungen. Insofern ändere sich für die Genossenschaften in der Praxis nichts.
Enttäuscht
Genau das bedauert Romuald Schaber, der Präsident des European Milk Board, dem auch die Milcherzeuger-Interessengemeinschaft MIG angehört. Da die politischen Beschlüsse vorsehen, dass Mitglieder von Genossenschaften von vornherein keine Verträge abschließen dürften, würden Molkereigenossenschaften weiterhin die Preise drücken können.
Schaber äußert sich "sehr enttäuscht!“ über den vorliegenden Kompromiss. Wenn Verträge zwischen Erzeuger und Molkerei nicht EU-weit verpflichtend gemacht würden, sondern jedes Land selbst darüber entscheide, könne die Position der europäischen Produzenten am Markt einfach nicht verbessert werden, so der EMB-Präsident.
Für extrem problematisch hält Schaber auch die festgelegten Obergrenzen für eine Bündelung der Erzeuger. Der Marktanteil vieler Molkereien übersteige diese Obergrenzen schon um ein vielfaches. Mit diesen Molkereigiganten müssten die klein gehaltenen Erzeugerorganisationen dann ohne wirkliche Marktmacht verhandeln.
Dass für die Herstellung von Käsesorten mit geschützter Herkunfsbezeichnung die Milchmenge begrenzt werden kann, wie es der Kompromiss vorsieht, sei nichts weiter als ein Feigenblatt, so Schaber. Eine Angebotsregulierung müsse für den gesamten Milchmarkt gelten, sonst rase man "ungebremst der nächsten Krise entgegen".
Noch durchs Parlament
Beim Treffen der europäischen Agrarminister kommende Woche soll das Milchpaket offiziell verabschiedet werden. Dann muss das EU-Parlament den Vorschlägen noch zustimmen - voraussichtlich im Februar. Gerade dessen Vorschläge, so legt Romuald Schaber nach, seien auf der Strecke geblieben. Neben einer höheren nationalen Bündelungsgrenze von 40 Prozent und den EU-weit verpflichtenden Verträgen finde sich auch die von den Parlamentariern ursprünglich vorgeschlagene Monitoringstelle so nicht im Kompromiss der drei EU-Institutionen wieder.
Auch auf nationaler und regionaler Ebene dürfte nun eifrig diskutiert werden, wie man die europäischen Bestimmungen am besten umsetzen kann. Denn, so merkt Guy Vandepoel vom Bauernbund an, bei der Frage, ob Lieferverträge verpflichtend eingeführt werden oder nicht, seien auch regional unterschiedliche Regelungen erlaubt.
Bild: belga