Hauptpunkt der Tagesordnung war die Debatte über die Regierungserklärung zur Lage der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Die Regierung hatte in der vergangenen Sitzung die Schwerpunkte der Arbeit für die kommenden zwölf Monate vorgestellt. Gestern war es an den Fraktionen im Parlament, darauf zu reagieren.
Die inhaltliche Diskussion wurde von der aktuellen europäischen und belgischen Politik bestimmt. Die Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise als auch der Einigung über die belgische Staatsreform auf die gemeinschaftspolitische Lage standen bei durchweg allen Fraktionen mehr oder weniger im Vordergrund.
Die Opposition
Die größte Oppositionspartei CSP kritisierte die zunehmende Verschuldung der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Pascal Arimont warf der Regierung vor, den Bürokratieaufbau voranzutreiben, und stellte die Frage nach dem Mehrwert für die Bevölkerung. Er bezeichnete die Finanzpolitik des Ministerpräsidenten als Offenbarungseid. Die Sparhaushalte der kommenden Jahre böten den kommenden Regierungen kaum noch Spielraum.
Michael Balter von Vivant ging ebenfalls auf den finanzpolitischen Aspekt der Regierungserklärung ein. Vor dem Hintergrund der Einigung in Sachen Staatsreform sei man gewillt über Kompetenzen, die man hier vor Ort einfacher regeln könne, zu reden. Dies dürfe aber nicht mit weiteren Kosten, sprich mehr Bürokratie, für die Steuerzahler verbunden sein.
Franziska Franzen von Ecolo griff ebenfalls einen finanziellen Aspekt auf. Die Regierung wolle zwar die vor zwei Jahren angekündigte Neuverschuldung von 235 Millionen Euro um mehr als die Hälfte reduzieren. Die geplante Neuverschuldung von nun 95 Millionen liege damit aber weit über den im letzten Jahr angekündigten 59 Millionen Euro.
Die Mehrheitsparteien
Emil Dannemark von der PFF betonte die besondere Leistung der Regierung, die krisenbedingte Neuverschuldung zu reduzieren, dies alles unter Beibehaltung aller Dienstleistungen und vor dem Hintergrund eines nie gekannten Einschnitts auf der Einnahmenseite des Haushalts. Die Entschuldungspolitik sei klar, das Ziel bliebe die Schuldenfreiheit.
Charles Servaty von der SP wies darauf hin, dass man mit dem geplanten erweiterten Angebot von Bachelor-Studiengängen in Finanzdienstleistungen jungen Menschen helfe, sich vernünftig auf die berufliche Karriere vorzubereiten. Ebenfalls betonte er die Wichtigkeit der Krankenpflegeschule und die Bedeutung des gesamten Pflegesektors als Beschäftigungsfaktor.
Alfons Velz, ProDG, wehrte sich gegen den Vergleich mit Griechenland, der von Vivant und CSP angestrengt worden war. Die Investitionen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft seien solide und eine Investition in Ausbildung eine Investition in die Zukunft. Zur Staatsreform meinte er, dass sozialer Frieden innerhalb Belgiens nur mit maßgeschneiderten Finanzierungsgesetzen möglich sei. Desweiteren sei er überzeugt, dass mit einem kompletten Rückfluss der Gelder, die die Provinz momentan von den deutschsprachigen Steuerzahlern erhalte, der Haushalt der Deutschsprachigen Gemeinschaft sehr schnell ausgeglichen sein könne.
Die Minister
In ihren Antworten griff die Regierung verschiedene Aspekte auf. Unter anderem die Kommunikation mit der Bevölkerung. Ergebnisse der demoskopischen Befragung hätten gezeigt, dass viele Menschen die verschiedenen Dienstleistungen zwar kennen, sie aber nicht der Institution Deutschsprachige Gemeinschaft zuordnen würden. Minister Mollers sagte wörtlich: "Wenn wir wollen, dass die Menschen unsere Arbeit schätzen, dann müssen wir den Menschen mitteilen, was wir tun".
Ministerin Weykmans wies darauf hin, dass Staatsreform und die Wirtschafts-und Finanzkrise nicht von der Deutschsprachigen Gemeinschaft beeinflussbar seien. Man müsse gut vorbereitet sein und Politik bedarfs- und zukunftsorientiert gestalten. Als Beispiel zog sie das Jugenddekret heran. Die geplante aufsuchende Jugendarbeit stelle den Jugendlichen in den Mittelpunkt.
Minister Paasch bedauerte, dass von seiten der Opposition weder inhaltliche Debatten noch ein sachpolitischer Bezug zu hören gewesen seien. Die Erfolge bei Schultests und die erfolgreiche Teilnahme ostbelgischer Lehrlinge bei den Weltmeisterschaften in London sei Verpflichtung, nicht stillzustehen. Im kommenden jahr würden dem Parlament mindestens sieben Dekretentwürfe im Unterrichtswesen vorgelegt.
Abschließend machte Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz nochmals die Finanzpolitik zum Thema. Die Deutschsprachige Gemeinschaft müsse den Spagat schaffen zwischen einem ambitionierten Investitionsprogramm und den Vorgaben des belgischen Staates. Das Wie werde in den kommenden Haushaltsdebatten folgen.
okr - Bild: belga