Es wäre reizvoll gewesen, Bart De Wever wäre im Besucherbereich gewesen, unbemerkt von den Rednern, am Montagabend im PdG. Ihm dürfte der zweite Teil der neuen Eupener Losung aufgefallen sein, und sie hätte ihm vielleicht Anlass gegeben zu einem seiner berüchtigten Einzeiler.
Denn der zweite Teil der Losung lautet sinngemäß: "wenn dazu die finanziellen Mittel reichen". Es gibt einen Paradigmenwechsel. Nicht mehr das Geschacher um Dotationserhöhungen bestimmt die Politik, sondern die Forderung nach Eigenverantwortung für die Finanzmittel, mit den Worten De Wevers, "responsabilisering". Darüber ging es aber nicht am Montagabend, und so dürfte das Urteil des Sarkasikers De Wever entsprechend ausgefallen sein.
Hätte nun aber Rudy Demotte unter den Zuhörern gesessen, anstelle De Wevers, unbemerkt von den Rednern, hätte er wahrscheinlich nur den ersten Teil der neuen Losung gehört, mit dem Wort "gewillt ". "Gewillt" ist im Deutschen ein ungemein ausdrucksstarker Begriff. Man denke an das Eheversprechen, den Eintritt in die Armee oder schlicht einen Bungeesprung. Springen wollen, heißt "kopfüber in die Tiefe", ohne Abbruch auf halber Höhe. Zur Armee wollen heißt auch den Einsatzbefehl akzeptieren, mit Feuer und Sprengstofffallen. "Wollen" geschieht auf Gedeih und Verderb. "Er hat es ja gewollt", heißt es nicht umsonst im Volksmund.
Aber was ist schon ein Wille, mit dem Zusatz "wenn". Ein sehr lauer Wille oder wie in diesem Fall eine politische Botschaft. Nun ja, bedingungslose Willenserklärungen wären im labilen heutigen Belgien ja auch reine Himmelfahrtskommandos. Und als politische Botschaft will der Minister-Präsident die Losung ja auch verstanden wissen. Und somit macht die Losung dann auch Sinn.
Die Schlagworte und Losungen der anderen Akteure sind ja auch nicht mehr als politische Botschaften, das trifft sicherlich auf die freche und provokante Selbstbezeichnung als Föderation Brüssel-Wallonien zu: Sie signalisiert nicht weniger als: Der Plan B ist weiterhin aktuell. Aber, ist er ernst gemeint? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist Schattenboxen, aber vor verdammt ernstem Hintergrund.
Somit muss man die Losung "willig, bereit und in der Lage", mit der Einschränkung, "vorausgesetzt, die Finanzen stimmen", nicht überbewerten. Es sind Positionsbestimmungen, Ausgangspositionen für knallharte Verhandlungen mit Laptop und Zahlentabellen, früher hätte man gesagt, mit Rechenschieber.
Dass der Ministerpräsident seine Zahlen für das neue Finanzierungsgesetz bisher unter Verschluss hielt, ist seine Entscheidung. Das Parlament beugte sich seiner Argumentation, die Offenlegung der Quellen sei unklug. Es will jetzt selbst Studien in Auftrag geben, erreichte aber, dass die Regierung dem Ausschuss alle Unterlagen zur Verfügung stellen will. Bisher hat sich das Parlament selbst nie ernsthaft damit befasst, verschiedene Steuer-und Dotationsmodelle durchrechnen zu lassen. Es traf also seine Entscheidung im Blindflug. Es hätte sich den Aufschub somit ersparen können, inhaltlich. Von der Form her nachvollziehbar, denn als Nebenprodukt einer Interpellation, wie vor knapp drei Monaten, trifft kein Parlament der Welt gerne eine Grundsatzentscheidung. Sicherlich keine, von der es eigentlich seit Beginn im Unterbewusstsein träumt.
Dann braucht es sich auch keine Schutzbehauptungen einzureden, auch das bereits Erreichte sei gefährdet. Inzwischen wurde schon suggeriert, die Gemeinschaften als solche stünden zur Disposition. Dass die Frankophonen keinen Sinn mehr darin erkennen, sich als Gemeinschaft zu definieren, stimmt zwar und ist auch nachvollziehbar: Ist es ihnen doch nicht gelungen, für alle Frankophonen zu sprechen, gleich wo sie im Lande leben: Die flämische Politik machte dies mit Hilfe der flämischen Kammern des Staatsrats unmöglich. Deshalb setzen die frankophonen Hardliner jetzt auf die Regionen, und, was den Schutz der Frankophonen in Flandern angeht, setzen sie auf die Rechtsprinzipien der Europäischen Union.
Ganz anders aber die Gefühlslage in Flandern: Für die flämische Politik bleibt "Gemeinschaft" ein Schlüsselbegriff. Das ist für sie, und sicherlich für die, die sich offen Nationalisten nennen, ihr Selbstverständnis als historische Bewegung - und zudem ihr Schlüssel für die Verteidigung Brüssels als ihre Hauptstadt. Panik ist nicht angebracht, weshalb nicht einfach dazu stehen, die vierte Region doch eigentlich stets gewollt zu haben, immer schon. Aber: Etwas eigentlich stets gewollt zu haben, ist man dafür dann auch schon "willig"?
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