Hintergrund der gestrigen Hauruck-Aktion sind Auswüchse eines bizarren Entschädigungsstreits mit einem Blutplasma-Konzern. Allzu tief dürfte der Schock bei den Organisatoren der großartigen Schau zu Ehren des bekannten Antwerpener Renaissance-Malers nicht sitzen. Die Ausstellung läuft bereits seit Mitte März und schließt Ende des Monats.
Heutzutage muss man bei spektakulären Ausstellungsprojekten halt mit allem rechnen. Und diesmal hat es die rührige Crew um Suermondt-Ludwig-Direktor Peter van den Brinck und Kuratorin Alice Taatgen halt getroffen. Aus Angst vor Pfändung hat Tschechien offenbar in großer Eile zwei Leihgaben zurückgeholt. Es handelt sich um das Gemälde "Maria mit Kind" und ein Triptychon mit der Anbetung der Könige, die aus der Prager Nationalgalerie stammen.
Die Prager Regierung reagiert mit dem Überraschungscoup auf den Verlust von drei tschechischen Kunstwerken in Österreich vor zwei Wochen. Ein Wiener Amtsgericht hatte Gemälde von Emil Filla und Vincenc Benes sowie eine Skulptur von Otto Gutfreund als Sicherheiten in einem 20 Jahre zurückreichenden Streit beschlagnahmen lassen. Die Liechtensteiner Pharma-Firma Diag Human fordert vom tschechischen Staat rund 370 Millionen Euro Entschädigung. Diag Human war in den 1990er Jahren von einer Blutplasma-Ausschreibung ausgeschlossen worden - zu Unrecht, wie ein Pariser Schiedsgericht im August 2008 entschieden hatte.
Tschechien erkennt den Richterspruch nicht an und weigert sich zu zahlen. Die tschechische Nationalgalerie zieht deshalb alle in EU-Staaten verliehene Kunstwerke zurück, um sie vor Pfändung zu schützen. Es ist also eine Verteidigungsmaßnahme, damit die Kunstwerke nicht als Geiseln genommen werden können, wie dies bereits geschehen ist. Auch zwei weitere Ausstellungen, die derzeit in Deutschland laufen, sind von der Rückholaktion betroffen.
Das Aachener Museum äußerte sich nicht zu dem Vorgang - in der Branche ist Diskretion schon aus Sicherheitsgründen oberstes Gebot. An den vorübergehend leeren Wandflächen hängen jetzt Bilder, die vorher einen nicht so glücklichen Platz gehabt hätten, ließ die Stadt Aachen tröstend verlauten.
dpa/rkr - Bild: National Gallery, Prague 2010