Die Menschen, die das Wagnis eingingen, alles hinter sich zu lassen , um in der Fremde ein neues Leben zu beginnen, würde man heute als "Migranten" bezeichnen - so die Schlussfolgerung der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt nach ihren Recherchen zum neuen Kalender. In Archiven haben die Hobby-Historiker herausgefunden, dass schon Mitte des 19. Jahrhhunders Eifeler nach Amerika auswanderten.
Grund war wirtschaftliche Not, erklärt Karl-Josef Drösch: "Die Leute hatten nichts zu essen. Es gab Hungersnot. Das Klima war rauher. Es gab viel Schnee, Frost, Unwetter. Sie litten richtig Hunger und sahen keinen Ausweg mehr. Heute würde man sagen, sie waren Wirtschaftsflüchtlinge. Sie suchten ein besseres Leben für sich und ihre Familien."
Viele von ihnen waren junge Leute, Familien mit nicht selten fünf oder sechs Kindern. Es war für sie kein einfacher Entschluss und eine finanzielle Herausforderung. Sie verkauften Haus und Hof, und mit dem Geld zahlten sie die Überfahrt und hatten ein kleines Startkapital in den USA.
Die Überfahrt dauerte in den 1850er Jahren noch sechs bis acht Wochen und war nicht ohne Gefahren, weiß Karl-Josef Drösch. "Die Segelschiffe waren nicht dafür gebaut, Passagier zu befördern. Es waren Frachtschiffe. Die Leute wurden in Zwischendecks untergebracht. Es waren erbärmliche Zustände unter hygienisch sehr schlechten Verhältnissen. Viele haben es nicht überlebt. Und wenn doch, dann mussten sie nach der Ankunft in New York noch einen Weg über Land antreten, manchmal ein paar 1000 km, und auch diese Reise war sehr beschwerlich und haben manche nicht überlebt."
Die Auswanderung wurde beworben - und zwar ganz offen, zum Beispiel in Zeitungen. "Heute würde man das vielleicht Schlepper nennen", meint Karl-Josef Drösch. "Damals gab es auch Agenten, die im Auftrag der Reedereien arbeiteten und wahrscheinlich auch Provisionen bekamen. Manche arbeiteten seriös, manche weniger seriös."
Für einige hat sich der Traum von einem besseren Leben in Amerika erfüllt. Andere scheiterten. Denn auch dort war es ein schweres Leben für die Eifeler. Das Klima war hart, allerdings fanden sie bessere Bodenbedingungen vor. Die Geschichtsgruppe führt in ihrem Kalender das Beispiel eines Rocherathers auf: Er hat 1,6 Quadratkilometer Land gekauft. Das entspricht ungefähr der Fläche des ganzen Dorfes Rocherath. Aber es musste urbar gemacht werden. Bäume mussten gefällt werden. Es musste gepflügt werden. Aber es war guter Boden, und der Ertrag war gut.
Durch Korrespondenz mit der Heimat verbreiteten sich die Nachrichten aus der Neuen Welt, und weitere Eifeler machten sich auf den Weg. So auch Nikolaus Heuters und seine Verwandten aus Rocherath und später den Ackerer Leo Palm und seine Familie. Sie haben in den amerikanischen Ortsnamen ihre Spuren hinterlassen: Da gibt es den Rochert Lake, den Rocherather See, und die Ortschaft Rochert. Das war ein Postamt. Das wurde gegründet von zwei Nachbarn, die sich dort wieder gefunden hatten.
Und auch Straßennamen wie "Brüls-Road" und "Palm-Road" erinnern an die ersten Siedler aus der Eifel.
Ihre Auswanderer-Geschichten hat die Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt auf zwölf Monatsseiten des Kalenders nachgezeichnet, mit Fotos dokumentiert und dabei den Bogen bis in die heutige Zeit gespannt. Ein interessanter Einblick in ein Thema, das nichts an Akualität verloren hat.
Der Kalender kostet 10 Euro und ist im ZVS-Museum in St.Vith erhältlich sowie in Rocherath in der Bäckerei Lambertz und im Kaufhaus „Bei Valerie“. Weitere Infos gibt es auf der Webseite der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt.
Michaela Brück