SP+ und die "Mit uns" sind die beiden Oppositionsparteien im Raerener Gemeinderat. Sie sind sich sicher: Diese Geschäftsordnung verstößt gegen geltende Gesetze.
"Das habe ich überprüft und habe, beginnend mit den entsprechenden EU-Direktiven über die belgische Verfassung und über die Gesetze zur Öffentlichkeit der Unterlagen von Verwaltungsbehörden bis hin zum entsprechenden Dekret der Deutschsprachigen Gemeinschaft überprüft, ob unsere Geschäftsordnung im Gemeinderat damit vereinbar ist. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass unsere Geschäftsordnung mit diesen gesetzlichen Grundlagen nicht vereinbar ist", sagt Martin Peters von der SP+-Fraktion.
Der Opposition werde ihre Arbeit quasi unmöglich gemacht. So verbietet die Geschäftsordnung zum Beispiel den Zugang zu bestimmten Dokumenten oder Studien, die als "noch nicht abgeschlossen" gelten. Wann eine Studie abgeschlossen ist, entscheidet der Gemeinderat - und damit theoretisch auch, wer bestimmte Informationen bekommt und wann darüber öffentlich diskutiert werden kann. Viel zu viel Macht für die Mehrheit in den Augen der Opposition.
Auch in Artikel 34 sieht die Opposition einen Versuch, sie in ihrer Arbeit einzuschränken. Der Artikel sieht vor, dass Bildaufnahmen in Gemeinderatssitzungen nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Rat einstimmig dafür stimmt - ein Unding, sagt Frederik Wertz von der Fraktion "Mit Uns".
"Wir haben in der Gemeinde Raeren schon den Fall gehabt, dass wir Zusatzpunkte eingereicht haben, die wir mit Bildmaterial unterlegt haben. Das heißt, wir sind an einen gewissen Ort gefahren und haben eine Bestandssituation durchgeführt. Dazu haben wir eigene Vorschläge ausgearbeitet und die im Gemeinderat anhand von Kartenmaterial illustriert. Das wird uns jetzt mit der vorliegenden Geschäftsordnung verboten."
Bürgermeister Mario Pitz sieht die Vorwürfe gelassen. Die Vorschriften würden ja nicht nur für die Opposition gelten, auch die Mehrheit müsse sich daran halten. Die Verwaltung sei dafür zuständig, eine neutrale Powerpoint-Präsentation für die Gemeinderatssitzung vorzubereiten. Dafür könne jeder, Mehrheit wie Opposition, vorab auch Bild-Dokumente einreichen.
Es könne auch keine Rede davon sein, den Ratsmitgliedern Informationen vorzuenthalten. "Im Gegenteil, da sind einige Sachen sogar digitalisiert worden. Die Ratsunterlagen können die Ratsmitglieder digital erhalten, was bisher noch nicht möglich war. Wenn jetzt jemand sagt, ich möchte trotzdem einen Ausdruck haben oder möchte trotzdem irgendwelche Dinge auf Papier haben, das ist das nach wie vor natürlich respektiert", beteuert Mario Pitz.
Die Geschäftsordnung würde die Anzahl Kopien nur da einschränken, wo es sich um sehr komplexe Akten handelte, um die Verwaltung vor übergroßen Aufgaben zu schützen. Überhaupt regele die Geschäftsordnung auch die Extremfälle, zu denen es normalerweise nicht kommen würde - er habe das jedenfalls in 20 Jahren noch nicht erlebt.
Rechtsanwalt Guido Zians kommt in einer ersten Einschätzung der Sachlage zu dem Schluss, dass einige Teile der Geschäftsordnung das Recht auf Information und auf die Einsicht von Dokumenten zu stark einschränken:
"Die gesetzlichen Normen gewähren Ratsmitgliedern und Bürgern weitgehende Einsichts- und Informationsrechte, mit nur eng begrenzten Ausnahmen (Schutz der Privatsphäre, laufende Verfahren, bestimmte interne Beratungsdokumente, gesetzliche Geheimhaltungstatbestände). Geschäftsordnungen dürfen diese gesetzlich garantierten Rechte organisatorisch ausformen, aber nicht materiell einschränken.
Ein Teil der angefochtenen Normen der Geschäftsordnung scheint tatsächlich das gesetzliche Maß der zulässigen Einschränkungen von Informations- und Einsichtsrechten zu überschreiten. Insbesondere dort, wo die Geschäftsordnung pauschal Dokumentenkategorien ausschließt oder Genehmigungspflichten bzw. Weitergabeverbote einführt, ist die Rechtslage zugunsten der Beschwerdeführer relativ klar. Allerdings ist zu beachten, dass die Gemeinde grundsätzlich berechtigt ist, organisatorische Modalitäten der Akteneinsicht festzulegen. Streitentscheidend wird daher sein, ob die jeweiligen Bestimmungen noch als "Modalitäten" gelten oder bereits eine materielle Einschränkung darstellen. Die angefochtenen Artikel bewegen sich überwiegend im zweiten Bereich."
Nun ist die Deutschsprachige Gemeinschaft als Aufsichtsbehörde gefragt. Sollte die nichts beanstanden, ist die Opposition fest entschlossen, die Geschäftsordnung notfalls auch vor den Staatsrat zu bringen, sagt Martin Peters: "Ja. Das ist eine sehr prinzipielle Sache."
Gaby Zeimers