Francine Wickler hat sich auf Spurensuche begeben und ein historisches Dokument aus dem Jahr 1875 entdeckt: die Heiratsurkunde ihrer Ur-Ur-Großeltern. "Das war Heinrich Kohnen. Der kam von Lascheid und hat mit seiner Frau Barbara eine Bleibe gesucht und hier in dem Haus gefunden. Das war ein Gasthof, mit Handlung und Metzgerei."
Zusammen mit Gerd Hennen, der sich in der Dorfgeschichte von Oudler bestens auskennt, hat Francine Wickler ihre Familiengeschichte recherchiert. "Das älteste Bilddokument, das wir gefunden haben, ist eine Dorfansicht, wo nur das Pfarrhaus drauf ist, noch nicht die Kirche. Die wurde 1923 gebaut. Das Pfarrhaus ist auf diesem Foto noch nicht fertig gebaut. Also muss es 1905/06 entstanden sein.", erklärt Gerd Hennen.
Hunderte Fotos hat Francine Wickler in den Alben und Kisten der Familie entdeckt. Sie dokumentieren die wechselvolle Geschichte des Gasthauses, das zu Beginn des ersten Weltkrieg von Heinrich auf Michel Kohnen überging. "Mein Uropa hatte das erste Auto im Dorf, und wenn jemand krank war, hat er die gefahren."
Der Gasthof war eben mehr als nur ein Haus, wo die Menschen bewirtet wurden. Auch das kulturelle Leben des Dorfes spielte sich hier ab. "Das Haus Kohnen war Vorreiter von unserem Vereinsleben", weiß Gerd Hennen. "Michel Kohnen war Mitgründer unseres Musikvereins. Die ersten Konzerte und Theateraufführungen fanden in dem Haus statt. Wir hatten keinen Saal. Das fand alles in der Gaststätte statt."
Nicht nur für die Familie sind die alten Fotos und Dokumente interessant, auch für die Kulturgeschichte des Dorfes und der Eifel überhaupt liefern sie interessante Einblicke. Gerd Hennen ist begeistert: "Da waren einige tolle Fotos dabei, vor allem die hier auf der Straßenseite. Da sah man, wie früher die N 62 war. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen bei den 15 000 Autos, die hier durchrasen."
In den 1970er Jahren ist der alte Gasthof einem Neubau gewichen. Nochmal eine Veränderung erfuhr das Haus mit dem Umbau und der Eröffnung des A la Carte-Restaurants vor zehn Jahren. Nun kommen die Leute aus dem Dorf nicht mehr zum Frühschoppen, sondern zum guten Essen. Statt Bier gibt es moderne Aperitifs und Amuses Gueules. Viele Gäste haben aber noch die alte Gaststätte Wickler erlebt, so wie Stephan Treinen: "Früher war das ja eine Wirtschaft. Wie das früher üblich war: ein Treffpunkt, man kam ein Bierchen trinken."
Dort wo früher Bier gezapft wurde, wird jetzt fein gekocht. Nach Ausbildungsjahren in Luxemburg, Frankreich und der Schweiz hat Francine Wickler ihren Traum verwirklicht, aus dem traditionellen Gasthof ein modernes Restaurant zu machen. Sie führt das Haus in fünfter Generation. Nach ihrer Mutter Annie Backes, der Oma und der Uroma steht wieder eine Frau in der Hauptverantwortung. Das zieht sich durch die Familiengeschichte.
"Die Männer waren anderweitig beschäftigt. Sie haben aber mit Tat und Kraft zur Seite gestanden. Man sieht, wie gebaut und geholfen wurde. Da haben auch viele tüchtige Männer gewirkt." So wie ihr Vater Albert Wickler. Heute steht der pensionierte Bauunternehmer auch gerne mal mit in der Küche - als rechte Hand seiner Tochter: "Ich bin mittlerweile Hobbykoch geworden", sagt er lachend, während er das Fleisch schneidet.
Auch wenn sich im Laufe der 150 Jahre vieles verändert hat, nicht nur die Tatkraft der Frauen ist eine Konstante in der Familiengeschichte des Gasthofes. Es sei vor allem der Zusammenhalt, der die wechselvolle Geschichte geprägt habe, sagt Francine Wickler. "Wenn ich sehe, was die im Krieg mitgemacht haben und wie die gearbeitet haben. Und der Zusammenhalt. Die sind nicht weggelaufen. Die haben durchgehalten in den schwierigen Zeiten."
Zusammenhalt und Teamarbeit gehören immer noch zu den Werten des Gastronomiebetriebs. Francine Wickler hat ihren Traumberuf in die Wiege gelegt bekommen, für den die Familie vor 150 Jahren das Fundament gelegt hat. "Es ist spannend und immer wieder eine Herausforderung. Durch den Saal haben wir auch Feste. Wir teilen Freud und Leid mit den Gästen, und das finde ich so schön.
Das 150-jährige Betriebsjubiläum will Francine Wickler vor allem mit ihren Gästen feiern. Denn das sei für sie immer noch das Wichtigste:
"Es ist die Gastfreundschaft. Das ist geblieben, das Herz des Hauses."
Auf der Webseite von "Le Jardin" gibt es eine Zeitleiste mit vielen Fotos zur 150-jährigen Geschichte des Restaurants.
Michaela Brück