Es können hohe oder tiefe Töne sein, mal lauter, mal leiser: Tinnitus hat viele Gesichter. Für die meisten Patienten gibt es mal bessere und mal schlechtere Phasen. Was in schlechten Momenten helfen kann, sind die Übungen der Tinnitus-Atemtherapie von Maria Holl, die sie vor 30 Jahren in Aachen entwickelt hat.
"Unter anderem machen wir Selbstmassagen, denn diese lösen die Spannungen im Körper erheblich auf", sagt Holl. "Die Patienten fangen wieder an, ihren Körper zu spüren. Ein großer Teil sind auch Atemübungen, die den Atem beruhigen sollen und durch die man aus diesem Stress-System, diesem Teufelskreis, ausbrechen kann."
Während der Sitzung sitzen Maria Holl und Patient Bernhard Huppertz aus Hauset auf Hockern in einem Raum in Aachen. Sie rollen mit Bällen ihre Füße ab, um die Anspannung des Körpers loszuwerden, schütteln ihre Muskeln aus und gähnen viel - laut Maria Holl ein Zeichen dafür, dass die Anspannung nachlässt.
Diese spielt auch bei Bernhard Huppertz und seinem Tinnitus eine große Rolle. "Wenn der Einkauf kommt und man soll nur helfen, ihn auszuräumen. Wenn der Tag aber anstrengend und stressig war, dann reichen oft schon diese Einkäufe, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Dann ist der Stress schon da. Der Körper geht dann voll hoch. Das löst den Tinnitus zum Teil auch aus."
Die Therapie ist eine Mischung aus Achtsamkeit und chinesischer Gesundheitslehre. Ganz billig ist sie allerdings nicht. Eine Schulung mit insgesamt zehn Sitzungen kostet 350 Euro. Manche Krankenkassen übernehmen zumindest einen Teil der Kosten.
Aber auch die Tinnitus-Atemtherapie wirkt nicht über Nacht. Es braucht Zeit, Geduld und Disziplin, bis die Übungen greifen. Wer das durchhält, kann von der Therapie profitieren. Beispiele dafür gibt es laut Maria Holl genug. "Ich erinnere mich an einen Dachdecker. Der war 60 Jahre alt. Er wollte unbedingt wieder aufs Dach."
"Für ihn war es das Größte, dass er wieder ohne die Töne aufs Dach konnte. Sie glauben gar nicht, wie dankbar die Leute sind." Maria Holl hofft, dass ihre Therapie auch in den kommenden 30 Jahren noch vielen Tinnitus-Patienten helfen wird.
Annika Deist