Aachen ist wie ein riesiges Puzzle mit zehntausend Teilen, aber nur rund 150 davon sind bisher bekannt - und die Vorlage fehlt. Jedes Jahr kommen neue Stücke hinzu. Schritt für Schritt lässt sich so ein Bild der Stadt aus verschiedenen Epochen zusammensetzen.
"Es gibt momentan zwei größere Grabungsprojekte in der Franzstraße und vor dem Theater, wo jeweils mittelalterliche Klöster angeschnitten wurden", erzählt Stadtarchäologe Andreas Schaub. "Bei beiden Klöstern sind jeweils die Friedhöfe angetroffen worden. Vor dem Theater Mauern der Klosterkirche und in der Franzstraße hat man wirklich große Teile des barocken Klosters in den Grundmauern freilegen können."
Viele Grabungen entstehen aus Vorannahmen - alte Stadtpläne, Quellen oder Hinweise aus früheren Untersuchungen. Spannend ist in diesen Fällen, wie gut die Funde erhalten sind und was noch vorhanden ist. Manchmal kommt auch Unerwartetes ans Licht, wie Schaub berichtet.
"Überraschend waren Maßnahmen jetzt auf dem Markt und auf dem Hühnermarkt, wo man ganz schön die Schichten finden kann aus der Zeit zwischen den Römern und dem Mittelalter. Also auch das frühe Mittelalter, die Zeit der Merowinger und natürlich auch der Karolinger, die wir sonst nicht allzu häufig deutlich finden in der Innenstadt. Das ist ganz gut gelungen."
Die Archäologie zeigt dabei den Alltag vergangener Jahrhunderte: Handwerk, Ernährung, Lebensumstände. Informationen, die sonst in keiner historischen oder literarischen Quelle zu finden sind. Und nicht alle Rätsel lassen sich sofort lösen: Manche Funde werden erst Jahrzehnte später richtig eingeordnet. So konnte durch die weitere Auswertung abgeschlossener Grabungen die römische Stadtstruktur Aachens deutlich besser rekonstruiert werden.
"Jetzt erkennt man so langsam das System dieser Stadt. Das ist eigentlich jetzt schon eine neue Sichtweise, die uns erlaubt, praktisch wie aus einer Vogelschau zu wissen: Wo in der Stadt war das Zentrum, wo waren die Handwerksbetriebe, wo haben die reicheren Leute gewohnt, wo waren die Badeeinrichtungen? Das sind alles Sachen, die man jetzt erst so richtig begreift."

Nur etwa fünf Prozent der archäologischen Karte Aachens sind bislang genau bekannt. Gegraben werden darf außerdem nur, wenn ohnehin Bauvorhaben geplant sind, zum Beispiel für neue Leitungen. Für zukünftige Grabungen interessieren den Stadtarchäologen vor allem einige zentrale Orte in Aachen.
"So ganz besonders sind natürlich die Plätze wirklich im Herzen der Altstadt: der Münsterplatz, der Katschhof und der Marktplatz vor dem Rathaus. Das sind die Stellen, wo wirklich die Keimzelle Aachens ist, wo die Geschichte begonnen hat und da wissen wir immer noch viel zu wenig. Wir haben ein paar kleine Aufschlüsse bis jetzt gehabt. Aber das wären Bereiche, da würde ich furchtbar gerne mal eine etwas größere Fläche öffnen."
Neben den Projekten in Aachen arbeitet die Stadtarchäologie auch als Partner im Interreg-Projekt "Via Via". Das Großprojekt beschäftigt sich mit der römischen Geschichte im Grenzraum von Belgien, Deutschland und den Niederlanden.
"Da versuchen wir eben alles an römischen Hinterlassenschaften, die auch noch sichtbar sind, auf den neuesten Stand zu bringen, was die Informationen anbelangt, was Medienpräsentation anbelangt, um da im Prinzip solche Rundwanderungen möglich zu machen, um die römische Geschichte der Euregio Maas-Rhein besser zu verstehen."
Jede Ausgrabung wirft neue Fragen auf und öffnet ein Fenster in die Vergangenheit Aachens. Was heute entdeckt wird, hilft nicht nur Historikern und Archäologen, die Stadt besser zu verstehen. Die Funde zeigen auch, wie eng die Gegenwart mit der Geschichte verwoben ist.
Über die jüngsten Grabungen in Aachen und ihre Bedeutung für die Stadtgeschichte berichtet Stadtarchäologe Andreas Schaub am Donnerstag, 23. Oktober, ab 19 Uhr ausführlich während eines Vortrags in der Rosfabrik.
Alice Devroye