Gabi Loslever hört zu. Und sie stellt Fragen. Zum Alltag, zum Wohlbefinden, aber auch zu Biografischem. Geduldig und einfühlsam. Jede Woche ist die Diplom-Sozialpädagogin im Katharinenstift in Astenet, nimmt sich Zeit für die Bewohner - oft auch für die Neuankömmlinge.
"Vor allem bei Bewohnern, die gerade neu eingezogen sind, ist natürlich das Thema der Trauer: Ich kann nicht mehr in meinem Haus wohnen, nicht mehr in meiner Straße sein. Oder ich kann nicht mehr laufen. Es geht ganz viel um Abschied nehmen vom alten Leben und sich hier auch einzugewöhnen. Es ist ja erst mal alles völlig neu", sagt Loslever.
Wichtig dabei: Die Bewohner können selbst entscheiden, wie weit sie bei einem Thema in die Tiefe gehen wollen. Diese Offenheit sei ein großer Mehrwert, findet Nadja Brockhans, die Leiterin des Katharinenstiftes. Und das Angebot ist niederschwellig. Das räumt viele Hürden aus dem Weg und erleichtert den Zugang.
"Die Einstiegshürde für die Bewohner ist eigentlich gleich null. Sie können das Angebot nutzen oder auch nicht nutzen. Es ist sehr unverbindlich. Und dadurch ist viel Scheu weggenommen worden, weil wir ja schon teilweise noch mit der Generation konfrontiert sind, wo das eher ein Tabuthema war", sagt Brockhans.
Das hat sich geändert. Der Aspekt "mentale Gesundheit" ist auch in Senioreneinrichtungen deutlich präsenter als in der Vergangenheit. Wer krank ist, wird operiert oder bekommt Medikamente - und dann geht es wieder. So sei es früher oft gewesen, meint Gabi Loslever.
"Gesundheit ist so viel mehr. Die mentale Gesundheit ist ja im Endeffekt ein Wohlbefinden, das gar nicht voneinander zu trennen ist. Es geht darum, dass die Emotionen, die Gefühle im Einklang mit mir sind, dass ich mich gut fühle. Das gehört zusammen. Ich erkläre das immer so: Wenn Sie vor etwas Angst haben - das kennt jeder von uns: Prüfungsangst - dann reagieren manche Leute mit Übelkeit darauf. Das heißt: Unser Körper reagiert darauf und umgekehrt auch. Wir können das gar nicht getrennt sehen."
Träger dieses Projektes ist das Beratungs- und Therapiezentrum. Und dieses sieht bei Bedarf zusätzliche Hilfe vor - ein weiterer Beleg dafür, dass mentale Gesundheit auch in Senioreneinrichtungen längst kein Tabuthema mehr ist.

"Die Tatsache, dass das BTZ auch die Möglichkeit bietet, mit einem Psychiater zusammenzuarbeiten, wenn es notwendig ist, zum Beispiel für eine medikamentöse Einstellung, bietet natürlich einen großen Mehrwert für Bewohner in einem sehr diskreten Rahmen", sagt Nadja Brockhans. "Wo man früher explizit einen Termin nehmen musste, kann man heute sehr unverbindlich Gespräche führen und selber entscheiden: 'Wie weit möchte ich denn gehen?'"
Die Erfahrungen ihrer Arbeit im Katharinenstift bespricht Gabi Loslever regelmäßig mit ihren Kolleginnen, die die psychologische Betreuung in anderen Senioreneinrichtungen in der DG wahrnehmen - und es finden Supervisionen statt.
"Es geht auch viel um Trauer. Und das ist sehr emotional. Und da müssen auch wir gucken: Wo stecken wir das hin? Wie können wir damit umgehen, obwohl wir alles erfahrene Fachleute sind?", so Loslever.
Mentale Gesundheit geht eben alle an - und sie betrifft jeden. Auch das Fachpersonal.
Moritz Korff