Frühjahr 2020: Corona lässt die Welt stillstehen. Romy ist 16. Die Schule fällt aus, Freunde darf sie kaum treffen. Und dann trifft sie ein familiäres Schicksal hart.
Romy hat schon immer gern Sport gemacht. Doch in der Pandemie wird das Laufen zum einzigen Ausgleich - und schließlich zum Zwang. "Ich bin viel laufen gegangen. Erst, weil es Spaß gemacht hat. Aber irgendwann fing es an, dass ich auch weniger gegessen habe."
Influencer und falsche Vorbilder im Netz verstärken den Druck. Romy isst immer weniger, läuft immer mehr. Familie und Trainerin werden aufmerksam. "Mama und Papa haben schon Zeichen gegeben: Schau mal, heute Abend läuft ein Film über Essstörungen. Aber ich habe gesagt: Nein, ich habe das unter Kontrolle."
Am Muttertag verliert Romy jede Kontrolle. Ein Essanfall - und der Versuch, alles wieder loszuwerden. Für Romy der Moment der Erkenntnis. "Da habe ich gemerkt: Das ist komplett außer Kontrolle geraten. Ich komme da nicht mehr so leicht raus."
Die Eltern erhalten einen Anruf einer spezialisierten Klinik in Aachen. Diagnose: Notfall. Kurz darauf wird Romy stationär aufgenommen. "Eine Woche später hätten sie den Platz nicht mehr gebraucht, haben sie gesagt. Das war krass."
Sechs Monate lang bleibt Romy in der Klinik. Strenge Regeln bestimmen ihren Alltag - Rollstuhl, Badbegleitung, offene Tür beim Schlafen. Und da ist noch jemand: ‘Chantal’. So nennt Romy die Stimme der Krankheit in ihrem Kopf. "Es ist wie jemand Zweites in meinem Kopf. Chantal wollte nicht, dass ich gesund werde. Sie hat alles probiert, es mir schwer zu machen."
Therapeuten, Mitpatientinnen, Briefe von Familien, Bekannten und Freunden: Schritt für Schritt kämpft Romy sich zurück. "Ich wusste gar nicht mehr, was Leben bedeutet. In Aachen habe ich das wieder gelernt."
Langsam kehrt Romy zurück in den Alltag - Schule, Freunde, Familie. Sie lernt, mit ‘Chantal’ umzugehen. "Die Kunst ist, sie stillzuhalten. Ich glaube, sie wird nie ganz weg sein, aber ich habe gelernt, damit zu leben."
Drei Jahre später ist Romy stabil. Sie treibt wieder Sport - diesmal aus Freude, nicht aus Zwang. Social Media filtert sie bewusst. "Ich mache Sport, weil es mir gut tut. Und ich esse, damit ich den Sport machen kann."
"Ich bin richtig wütend, wenn ich Bilder von damals sehe. Aber ich weiß: Ich habe es geschafft - und ich habe mein Leben zurück." Romy weiß: Die Krankheit bleibt ein Teil von ihr. Aber Romy lebt - und das ist das Wichtigste. "Es ist so wichtig, zu leben - nicht nur zu überleben."
Christophe Ramjoie