Michaela Tjarks unterrichtet ihre beiden Töchter, 13 und 15 Jahre alt, seit Jahren zu Hause. "Wir organisieren uns nach Aufgaben. Die Kinder haben alle die Jahre von mir Aufgaben gestellt bekommen, und sobald die fertig waren, hatten sie Schluss. Manchmal hab ich mich vertan, und dann hat das sehr lange gedauert - aber wir haben das trotzdem durchgezogen. Andere Male hab ich mich in die andere Richtung vertan, und sie waren nach einer halben Stunde fertig, aber dann waren sie auch fertig", erklärt sie.
Am Wichtigsten sei die Zeit morgens, dann seien die Kinder konzentrierter, und sie auch. Als die Kinder kleiner waren und früh auf den Beinen, hätten sie teilweise sogar schon um sieben Uhr begonnen. Was nach der totalen Freiheit klingt, ist bei den Tjarks in Wirklichkeit sehr strukturiert. Denn die Familie orientiert sich an den Rahmenplänen der DG - beide Töchter sollen einen regulären Schulabschluss erhalten, das ist das erklärte Ziel.
Verpflichtende Kontrollen durch das Ministerium
Regelmäßig kontrolliert das Ministerium auch bei den Homeschoolern, ob die Kinder einen Kenntnisstand erreicht haben, der ihrem Alter entspricht. So gibt es neben Kontrollgesprächen auch verpflichtende Tests und Prüfungen. Bleibt ein Kind deutlich unter den Erwartungen, kann der Schulbesuch auch angeordnet werden.
Viel Freiheit gibt es aber bei der Umsetzung - und das ist auch das, was Michaela Tjarks so wichtig findet. "Man hat die Freiheit, das so zu gestalten, wie das für einen selbst oder für die Kinder am besten ist. Wenn das Kind viel Zeit braucht und die Dinge sehr ins Detail erklärt haben müsste oder immer was zum Anfassen braucht, dann kann man dafür sorgen - was in der Schule so nicht unbedingt gegeben ist. Wenn das Kind lieber theoretisch arbeitet und damit gut klarkommt oder eigenständig arbeiten will, dann kann man das auch zulassen. Man kann viel mehr auf die Kinder einzeln eingehen, als das in der Schule im großen Klassenverband möglich ist."
Für die 13-jährige Fynja gibt es täglich eine Lerneinheit in Deutsch und Mathematik, außerdem abwechselnd Französisch und Geschichte. Die ältere Schwester Merina bereitet sich auf das Abitur vor. Auf ihrem Lehrplan stehen auch Fächer wie Chemie, Biologie, Physik, Geschichte und Erdkunde. Dafür hat Michaela Tjarks Lernmaterial angekauft: Elektro- und Chemiekästen, 3D-Körpermodelle, eine große Weltkarte. Die Nachbarn haben sich auch an den Anblick des Skeletts gewöhnt, das mitten in der Wohnküche steht.
Soziale Kontakte auch außerhalb von Schule möglich
Zusätzlich nutzt die Familie Lernorte wie das Science College in Jülich - oft gemeinsam mit anderen Homeschoolern. Dann auch das ist wichtig: Kontakte zu anderen Kindern. "Ja, dafür muss man ganz dringend sorgen", sagt Michaela Tjarks. "Die Kinder können in Vereine gehen, zum Sportverein, Singvereine. Da gibt es ja ganz viele Angebote. Außerdem gibt es andere Homeschooler und wir sind auch vernetzt. Es gibt Nachbarskinder... Es ist aktiv notwendig, das zu tun, weil man das Kind nicht automatisch umringt von anderen Kindern hat. Aber es lässt sich umsetzen."
Nicht der einzige Punkt, in dem Mama Michaela gefordert ist. Viel Freizeit bleibt ihr da nicht, neben Job und Unterricht. Man müsse sich gut organisieren, sagt sie: "Es ist unglaublich viel harte Arbeit. Französisch zum Beispiel musste ich mir selber beibringen, während ich das mit den Kindern gelernt habe. Man lernt selbst unglaublich viel, aber es braucht auch unglaublich viel Disziplin dafür."
Nachher will Michaela noch das Waschbecken im Bad reparieren - und braucht dazu ein neues Anschlussrohr. Das gehen Mutter und Tochter zusammen kaufen - da kann Fynja ihr neues Wissen über Pi und Kreise gleich in die Tat umsetzen.
Gaby Zeimers
Ich kenne die Familie sehr gut, da ich mit Michaelas Mama verheiratet bin. Als Michaela vor vielen Jahren entschied, die Kinder mit Homeschooling zu unterrichten, war ich sehr skeptisch, habe Bedenken geäußert. Nun viele Jahre später sehe ich, dass die beiden aufgeweckt, sehr intelligent, am Leben interessiert, sehr sportlich und gesellig sind. Also alles, was man sich als Großeltern von den Enkeln wünscht. Michaela hat das trotz aller Schwierigkeiten durchgezogen, nun freuen wir uns auf Merinas Abi und Fynias weiteren Fortschritte. Sie sprechen übrigens deutsch, flämisch, französisch und Englisch. und wenn schwyzerdeutsch auch noch dabei sein sollte (wegen ihrer Cousinen in der Schweiz) würde mich das auch nicht wundern.