Ein Anruf genügt - und schon hat Michael Ziemons Zeit. Der 49-Jährige kommt aus dem Verwaltungsgebäude am Katschhof direkt auf den Platz, spricht kurz mit den Stadtarbeitern, die die Blumen wässern und dann ist er bereit fürs Interview. Die Wahlparty am Sonntagabend war gelungen.
"Es war ja nicht zu erwarten gewesen, dass es so ein deutliches Ergebnis gibt und deshalb war natürlich die Freude besonders groß", sagt Michael Ziemons und fügt hinzu: "Aber auch die Demut. Das war ja schon ein Auftrag, der von Menschen kommt aus ganz unterschiedlichen Parteien und Richtungen. Deswegen war auch so spürbar: Es ist auch der Auftrag, diese Stadt miteinander zu gestalten und nicht nur in eine Richtung zu gehen, sondern zu schauen: Wie können wir unterschiedliche Pole verbinden? Das war sehr spürbar."
In der Stichwahl konnte Michael Ziemons für die CDU 56,03 Prozent der Stimmen holen. Sibylle Keupen, die für die Grünen ihre Amtszeit im Rathaus fortsetzen wollte, schaffte es 43,97 Prozent. Die Koalition aus Rot-Grün ist Geschichte. Im Aachener Rathaus wird es nun darum gehen, Gegensätze zu verbinden. Die CDU bekam mit Michael Ziemons ein Plus von acht Prozent der Stimmen. SPD und Grüne verloren kräftig. Doch ein deutliches Plus von vier Prozent gab es für die AfD - sie schafften es auf 7,7 Prozent. Auch die Linke schaffte 7,7 Prozent - sie holten ein Plus von 3,1 Prozent.
Alles umwerfen möchte der neue Oberbürgermeister für Aachen nicht. "Wir werden jetzt nicht alles zurückdrehen. Das ist nicht das Ziel. Dort, wo Umbaumaßnahmen geplant sind, müssen wir auch schauen: Können wir uns das noch leisten? Denn die Stadt hat ja ein Defizit von 70 Millionen im Haushalt. Das ist ja kurz vor der Wahl noch bekannt geworden. Da kann man ja nicht so sagen: Augen zu und durch."
Die Verwaltung soll schneller arbeiten. Wartezeiten von mehreren Monaten für einen Amtstermin soll es nicht mehr geben. Ziemons strebt weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung an. Ganz wichtig auch: Stärkung des Wohnungsmarktes, Ausbau des Wirtschaftsstandortes und die Stärkung der Innenstadt.
"Wir wollen auch Angebote schaffen für Park and Ride. Dass ich halt bis in die Nähe von Aachen kommen kann, meinen Wagen dann abstellen kann. Dann günstig und schnell mit einem billigen Ticket bis in die Innenstadt kommen kann. Und wenn ich dann eingekauft habe, kann ich vielleicht meine Einkäufe im Geschäft lassen, bekomme einen QR-Code und die bringen mir die Einkäufe dann zu meinem Parkplatz. Ich habe die Hände frei, kann einen schönen Tag in Aachen haben. Ins Kino gehen, was essen gehen, ins Theater. Und komme dann zurück und finde dort in einer Paketbox meine Einkäufe, brauche die nur noch einladen und fahre nach Hause. Das sind so Dinge, die müssen wir voranbringen."
Eigentlich ist Michael Ziemons Professor für Erziehungswissenschaften. Lange Jahre war er an der Katholischen Hochschule in Köln. 2019 wechselte er dann in die Städteregion und wurde Dezernent für Soziales, Gesundheit und Digitalisierung. Seinen Lebensmittelpunkt hat er mit seiner Familie in Aachen-Brand. Welche politischen Partner sich Michael Ziemons nun ins Rathaus holt, ist noch offen.
"Jetzt müssen wir innehalten, müssen auch die Verletzungen hinter uns lassen. Und müssen jetzt sagen: Lasst uns schauen, wie wir gemeinsam das Beste für unsere Stadt erreichen. Deshalb werden wir jetzt mit allen demokratischen Parteien Gespräche führen und dann einfach sondieren: Wo gibt es inhaltlich die beste Möglichkeit, etwas gemeinsam zu gestalten?" Mit allen, nur nicht mit der AfD möchte Ziemons sprechen. Es bleibt spannend in Aachen.
Ausführliches Radio-Interview mit Michael Ziemons im Player:
Simonne Doepgen