St. Viths neuer Bürgermeister Werner Henkes und seine Schöffin für Energiefragen werden ihre erste Verwaltungsratssitzung bei der Windfarm AG wohl nicht so schnell vergessen. Beide vertraten ihre Gemeinde als Anteilseignerin - allerdings ohne Stimmrecht.
Im Stadtrat sprach Gaby Schröder mit Blick auf den 22. Mai nun sogar von einem regelrechten "Schock". Das fing schon damit an, dass die größeren Anteilseigner ankündigten, eine "Superdividende" auszuschütten. "Es war eine Reserve von über vier Millionen Euro da. Die ist jetzt geschrumpft auf 450.000 Euro. Da hat sogar der andere Partner wie die Bank Degroof nachgefragt "Ist das nicht ein bisschen wenig, was uns da bleibt?". Am Ende der Verwaltungsratssitzung, unter dem Punkt "Verschiedenes", wurde uns dann mitgeteilt, dass BMR eine Anfrage bei Enovos gemacht hat und Envos wahrscheinlich ein Angebot macht. Da standen wir mit offenen Mündern da."
Der deutsche Gesellschafter BMR Green Power teilte mit, die Windfarm St. Vith AG verlassen zu wollen. Er habe seine Anteile (von gut 20 Prozent) dem Hauptaktionär Enovos angeboten. Die Ausschüttung der Dividenden sieht Werner Henkes im Nachhinein als vorteilhaft für beide. "Wir wären gerne gleichwertiger Partner gewesen und geblieben, aber wir sind nicht gleichwertige Partner. Das hat sich auch schon aus den Vorgesprächen, die wir, als ich noch in der Opposition war, mit Enovos hatten. Man hat uns eher die kalte Schulter gezeigt. Es war effektiv nicht so, dass man jetzt partnerschaftlich miteinander umgegangen wäre."
Denn mit ihren derzeit acht Prozent Anteil hätte die Stadt St. Vith ein Vorkaufsrecht auf weitere zwei Prozent geltend machen können, was etwa 15 Anteilen im Wert von 124.000 Euro entsprach. Nur seien dafür die gesetzten Fristen zu eng gewesen, sagt Gaby Schröder, auch weil die anderen Anteilseigner nicht mitgespielt hätten. "Wir haben genau analysiert, geschaut, was ist in der Zeit möglich, was können wir machen? Wir hatten schon überlegt: zusätzlicher Stadtrat, Kommissionssitzung und alles. Aber dann war es auch einfach vom Zeitrahmen her nicht möglich. Wir haben angefragt, ob die Überweisung später gemacht werden könnte, was uns aber nicht genehmigt wurde. Technisch gesehen war es uns nicht möglich, diese Aktion zu machen. Insofern haben wir nichts "verstreichen lassen". Wir haben es einfach nicht machen können."
Die beiden Vertreter der Mehrheit halten es für unredlich, wenn die Opposition ihnen nun vorwerfe, sie hätten bis zu 20 Prozent der Anteile erwerben können. Das sei schließlich auch eine Frage der Kosten, so Werner Henkes. "Wir möchten nicht mit dem Geld der Bürger, der Stadt, der Gemeinde jetzt irgendwo spekulieren und das wäre durchaus spekulativ gewesen."
Zu denken gebe ihm auch die Begründung für den Ausstieg von BMR Green Power. Bei einer eilends einberufenen Kommissionssitzung seien deren Vertreter per Videokonferenz zugeschaltet gewesen. Sie hätten unter anderem erklärt, dass die Gesellschaft sich neu aufstelle und es durchaus Fragen gebe wegen der geplanten Erweiterung des Windparks. "Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass die Erweiterung des Windparks auf Eis liegt. Das Ganze wird durch das Militär blockiert, das eine Überflugzone für Drohnen vorsieht. Dadurch gerät der mögliche Ausbau der Windkraftnutzung in der Eifel und anderswo ins Stocken."
Vergessen werden dürfe nicht, dass die bestehenden fünf Windräder in einigen Jahren erneuert werden müssen (das sogenannte Repowering). Das müsse dann mit einer geschrumpften Reserve gestemmt werden.
Was ist mit dem Geld, das St. Vith gemäß seinem Anteil aus der "Superdividende" erhält? "Wir haben mehrere Projekt-Ideen am Laufen, wo wir auch in Sachen Windenergie einsteigen können. Das ist aber noch nicht in trockenen Tüchern. Das sind noch so Anfragen, Ideen, Projekte.", so Gaby Schröder .
Das Thema wurde auch in der Fragestunde des Stadtrates aufgegriffen, wo der frühere Energieschöffe Marcel Goffinet seine Vorwürfe wiederholte. Nach seinen Worten ist auch jetzt noch nicht alles verloren. Die Stadt möge doch versuchen, "im Nachgang noch Anteile zu erwerben". Bürgermeister Werner Henkes unterband die neu aufkeimende Diskussion schließlich mit dem Hinweis auf die Stellungnahmen in den Medien.
Stephan Pesch