635 Projekte und Initiativen hatten sich um den Europäischen Jugendkarlspreis 2025 beworben. So viele Bewerbungen hatte es noch nie gegeben. Nachdem jedes EU-Land unter den nationalen Bewerbungen einen Sieger ermittelt hatte, wurden die 27 nationalen Gewinner nach Aachen eingeladen. Hier sollte sich dann endlich entscheiden, wer den Jugendkarlspreis auf europäischer Ebene gewinnt. Dementsprechend groß war dann auch die Spannung bei den Finalisten.
Über den ersten Platz durfte sich das ungarische Projekt "Forum Europaeum" freuen. Das Medienprojekt erforscht die europäische Identität durch Interviews mit Politikern oder Künstlern, Artikel oder Podcasts. In Zukunft möchte die Initiative eine europäische Social-Media-Plattform gründen.
"Der italienische Philosoph Antonio Gramsci sprach von Kontextualisierung. Das heißt, Kultur entsteht aus und findet immer in einem Kontext statt", erklärt der Preisträger Dániel Kovács.
"Wenn wir zum Beispiel auf die Social-Media Plattformen "X" oder "Reddit" gehen, werden uns zum Großteil Nachrichten angezeigt, die aus einem amerikanischen Kontext stammen. Tik-Tok ist mit dem chinesischen Kontext verbunden. Eine europäische Alternative sollte natürlich konkurrenzfähig sein, sie sollte aber auch genutzt werden, um europäische Kultur zu konservieren und zu schützen. Denn die europäischen Kulturen sind es wert, geschützt zu werden."
Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen ist sich sicher: Mit der Auszeichnung für "Forum Europaeum" hat der Jugendkarlspreis in diesem Jahr den Puls der Zeit getroffen. Denn die Situation in Ungarn ist für Medien alles andere als einfach.
"Es gibt zum Beispiel die Herausforderung, dass die Organisation das Preisgeld von 7.500 Euro gar nicht annehmen darf. Denn es gibt ein neues Gesetz in Ungarn, das es NGOs verbietet, Preisgelder anzunehmen. Falls sie die Gelder annehmen, verlangt der Staat, dass sie ihm das 25-fache abgeben müssen. Das ist nicht nachvollziehbar und erschreckend."
"Von daher ist die Unterstützung dieses Projektes nicht nur eine Auszeichnung für die Menschen, sondern auch für die Bewegung, die sie in ihrem Land gegen Widerstände anführen. Deshalb ist der Jugendkarlspreis in diesem Jahr auch äußerst politisch." Die Verantwortlichen des Jugendkarlspreises wollen alle Hebel in Bewegung setzen, damit "Forum Europaeum" das Preisgeld erhält. Eine Lösung für das Problem gibt es aktuell aber noch nicht.
Der zweite Preis und ein Preisgeld von 5.000 Euro ging an die Initiative "Díky, že můžem volit" ("Danke, dass wir wählen dürfen") aus der Tschechischen Republik. Die Vereinigung setzte politische Bildung und innovative Öffentlichkeitsarbeit ein, um junge Tschechen zur Stimmabgabe bei der Europawahl 2024 zu bewegen.
"Die Ergebnisse dieses Projektes sprechen für sich", sagt Sibylle Keupen. "Die Initiative hat eine Steigerung der Wahlbeteiligung um zwei Prozent erreicht. Das ist in absoluten Zahlen sehr beachtlich. Das ist genau der Weg, den wir gehen müssen: Auf Europa aufmerksam machen und die Menschen dazu motivieren, ihre Stimme für Europa zu erheben."
"Es ist ein europäisches Projekt im Kern der europäischen Gemeinschaften. Gerade in der Tschechischen Republik ist so ein Projekt unglaublich wichtig."
Der dritte Preis ging an das deutsche Projekt "Feminist Law Clinic". Das Projekt bietet kostenlosen Rechtsbeistand für Personen, die unter geschlechtsbezogener Diskriminierung oder sexualisierter Gewalt leiden. Lilith Rein hat das Projekt mit zwei Freundinnen ins Leben gerufen. "Wir hatten die Idee zu dem Projekt, weil wir selbst immer wieder von Übergriffen in unserem Umfeld gehört haben oder sie selbst erlebt haben und wir wussten nicht, was wir machen sollen."
"Gleichzeitig studieren wir in Paris und in Köln Jura und haben da noch nie eine einzige Vorlesung über sexualisierte Gewalt gehabt. Das ist einfach fatal, weil es so präsent ist und man uns dennoch nichts über die Rechtslage beibringt. Wer soll das wissen, wenn nicht einmal die angehenden Juristinnen es wissen?"
Belgischer Sieger nimmt Fast Fashion ins Visier
Auf belgischer Landesebene wurde das Projekt "The future we want" mit dem nationalen Jugendkarlspreis ausgezeichnet. "'The future we want' kämpft gegen Fast Fashion in Europa", erklärt die Vertreterin Atusa Karbaschi. "Wir sind letztes Jahr mit rund 50 Personen auf eine Kampagnentour durch Europa gestartet. Los ging es in Bukarest und Neapel. Am Ende waren wir dann in Brüssel beim EU-Parlament. Dort haben wir mit Mitgliedern des EU-Parlaments gesprochen und auch eine Petition mitgebracht. Im Internet haben wir rund 25.000 Menschen erreicht, auf der Kampagnentour noch einmal 5.000."
Auch wenn es auf europäischer Ebene am Dienstag nicht für eine weitere Auszeichnung gereicht hat, ist Atusa Karbaschi alles andere als enttäuscht. "Wir sind total stolz auf den nationalen Preis und machen mit dem Projekt auf jeden Fall weiter. Wir haben zum Beispiel schon am 13. und 14. Juni wieder ein öffentliches Event im EU-Jugendparlament. Wir stellen da unser Projekt vor und jeder ist eingeladen, vorbeizukommen."
Der europäische Jugendkarlspreis wird seit 2008 jährlich vom EU-Parlament und von der Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen organisiert.
mitt/la