Der Tag von Tom Van Leemput ist eng getaktet. Tagsüber hat der Orthopäde am Eupener Krankenhaus alle Hände voll zu tun. Darüber hinaus steht er auch abends, an Feiertagen und an Wochenenden bereit. "Wir sind zu vier orthopädischen Chirurgen, die das ganze Jahr jede Minute abdecken", sagt der 51-Jährige.
Die Belastung der Ärzte sei besonders in kleineren Krankenhäusern höher und der Chefarzt räumt ein: "Das wirkt sich natürlich manchmal auf das Familienleben aus. Das darf man nicht unterschätzen."
Seit fast 25 Jahren arbeitet der dreifache Vater im Schichtdienst. Das ist für den Chefarzt und viele seiner älteren Kollegen ganz normal. Doch bei der nun nachrückenden Ärztegeneration sei das oft keine Selbstverständlichkeit mehr, sagt Tom Van Leemput. "Das ist ein Riesenproblem. Das beste Beispiel ist unsere Entbindungsstation. Weil wir unsere Bereitschaftsdienste nicht abgedeckt bekommen, haben wir die Maternität schließen müssen und es gibt keine Aussicht auf Wiedereröffnung."
So habe das Krankenhaus das Thema Wiederöffnung der Entbindungsstation zu den Akten legen müssen. Dabei gebe es genug Gynäkologen in der Region. "Viele Gynäkologen begleiten die schwangeren Patienten, wollen sich aber nicht an den Bereitschaftsdiensten beteiligen. Sie nehmen uns sozusagen die Rosinen aus dem Kuchen. Für das Krankenhaus ist das sehr schwierig. Weil wir gezwungen sind, Tag und Nacht, am Wochenende und an Feiertagen Kontinuität abzusichern. Und die Ärzte mit ihren Privatpraxen, die sichern gar keine Kontinuität ab."
Das Nachsehen hätten vor allem die Fachärzte, die am Krankenhaus selbst arbeiten und nicht in einer Privatpraxis. "In der Privatpraxis geht am späten Nachmittag der Anrufbeantworter an mit der Meldung: 'Bei Problemen wenden Sie sich bitte ans Krankenhaus'." Dann bleibe die schwierige Arbeit an den wenigen Ärzten hängen, die am Krankenhaus arbeiten. "Die schöne Arbeit ist schon von anderen Praxen weggenommen", sagt der Eupener Chefarzt.
Das Stichwort lautet: Work-Life-Balance. Doch eben dieser Wunsch nach Balance bringt die Gesundheitsversorgung ins Ungleichgewicht. Man könne auch von einem Lifestyle-Problem reden, sagt Tom Van Leemput. Doch es sei leicht zu ändern: "Wenn in Brüssel entschieden wird, dass jeder Facharzt dazu gezwungen wird, in seiner Region Bereitschaftsdienste zu übernehmen, dann ist das Problem gelöst."
Tom Van Leemput sagt es ganz offen: Bei jungen Ärzten müsse ein Umdenken stattfinden. Bei Beginn des Studiums wüssten die angehenden Ärzte genau, dass Bereitschaftsdienste zum Job des Facharztes hinzugehörten. "Wenn man dann nach elf oder zwölf Jahren als Facharzt fertig studiert hat, ist es eigentlich eine moralische Verpflichtung der Bevölkerung gegenüber, auch diese Bereitschaftsdienste zu machen." Und so hofft der Chefarzt auf bessere Zeiten für das Gesundheitswesen: Mehr Work- als Life-Balance.
Simonne Doepgen
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