Mangelware Medikamente. Apotheker Christophe Louis steht vor seinem PC in Eupen. Welche Medikamente aktuell fehlen, wird im Computer angezeigt. Aus dem Drucker zieht der Apotheker eine lange Liste: "Die fehlen allemal. Das sind hunderte Produkte".
Mit dabei sind Schmerzmittel, Antibiotika oder Fiebersäfte. Das Problem ist europaweit das gleiche: Immer wieder gibt es Lieferengpässe. "Ich würde sagen jetzt, dass es seit drei bis vier Jahren wirklich schlimm ist. Das hat es immer schon gegeben, dass einige Sachen bei der Firma fehlten. Aber jetzt ist es wirklich problematisch", sagt Christophe Louis.
Gleiches Lied auch bei den Kollegen in der Eupener Gospertstraße. Selbst das gängige Medikament Aspirin Plus C ist aktuell Mangelware. "Wir haben jetzt noch eine Dose da. Das ist aber Zufall, weil wir relativ viel vor dem Winter eingekauft haben", erklärt Apotheker Ralph Mertens. "Effektiv haben die im Moment ein kleines Lieferproblem. Ich denke aber, dass sich das in den nächsten Wochen arrangieren wird. Das sollte aber auch durch irgendeine andere Möglichkeit zu ersetzen sein, wenn man jetzt unbedingt was für die Erkältung nötig hätte."

Erfinderisch muss der gute Apotheker heute sein. Immer wieder geht es darum, Ersatz für fehlende Präparate zu finden. "Durch diese ganzen Probleme muss man mittlerweile schon einmal pro Woche schauen, was zu den fehlenden Sachen hinzugekommen ist und dann schon rechtzeitig antizipieren, für Alternativen", erklärt Mertens.
"Wir können bei den Großhändlern reservieren, damit man zuerst beliefert wird. Es gibt auch Austauschbörsen für Apotheker auf Webseiten. Da kann man sich anmelden. Meistens drehe ich eine kleine Runde am Wochenende, um dann rechtzeitig die Sachen zu bekommen, ehe sie fehlen werden, oder dann bei den Ersten zu sein, die wieder Nachschub bekommen. Aber es ist leider mit zusätzlicher Arbeit verbunden."
Zur Not wird ein Präparat selbst angerührt. Aber auch das geht nicht immer. "Wenn es ein Produkt ist, für das man die Chemikalie zur Verfügung hat, kann man es auch selber anrühren. Aber nicht jeden Wirkstoff gibt es auch in Pulverform, um ihn danach in Kapseln zu tun. Wir können aushelfen, aber bei Weitem nicht für alle Sachen", so Mertens.
Genau da liegt die Krux: bei den fehlenden Wirkstoffen. Auch Apotheker Klaus Reul ist seit Jahrzehnten im Geschäft. "Man sagt uns, das sei ein Problem der Globalisierung. Die Wirkstoffe werden fast nur noch in China oder in Indien hergestellt. Die Medikamente selbst werden dann auch in diesen Ländern und zum Teil hier hergestellt. Aber wenn der Wirkstoff fehlt, dann können die Industrien hier auch nichts machen. Dann kommt es immer wieder zu Engpässen", erklärt Reul.
"Das hat auch mit dem Preis zu tun. Hier in Belgien sind Medikamente noch relativ günstig. Aber die internationalen Pharmafirmen verkaufen dann ihre Medikamente lieber zuerst in Länder, wo die Preise höher sind."
Tatsächlich stammen nach EU-Angaben 80 bis 90 Prozent der Medikamente in Europa aus Asien, vor allem aus China. Wenn Lieferketten unterbrochen werden, hätte das sofort verheerende Auswirkungen für Europa.
Dringend Zeit umzudenken? Sicher ist: Das Thema steht aktuell auf der Agenda der Europäischen Union. Anfang der Woche stand das Thema Medikamentenmangel auch im EU-Parlament in Straßburg zur Debatte. Ziel ist, die Verfügbarkeit von wichtigen Medikamenten in Europa sicherzustellen. Belgien geht dafür sogar noch einen Schritt weiter: So sollen entsprechende Gesetze zur Medikamentensicherheit in den europäischen Sicherheits- und Verteidigungsrahmen integriert werden. Das hat Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke gefordert.
Simonne Doepgen