Den Vorsitzenden der Anwaltskammern wurde mit dem neuen Gesetz eine neue gesellschaftliche Rolle übertragen: die Überprüfung der Zustände in den Haftanstalten im jeweiligen Gerichtsbezirk. Vorher waren Besuche anders geregelt.
"In Sachen Gefängnisbesuche war es vorher so, dass jeder Rechtsanwalt seinen Mandanten im Gefängnis besuchen durfte", erklärt Andreas Keutgen, der Vorsitzende der Anwaltskammer im Gerichtsbezirk Eupen. "Aber es gab kein allgemeines Besuchsrecht für den Kammer-Vorsitzenden. Das ist jetzt neu und der kann sich von den dortigen Zuständen ein Bild machen und dann einen Bericht erstellen."
Die Zustände in belgischen Gefängnissen: Immer wieder ist die Rede von Überbelegung und zu wenig Platz. Und da kommt der Tag der Menschenrechte ins Spiel, denn das Datum ist nicht zufällig gewählt, "weil man darauf hinweisen möchte, dass auch die Häftlinge ihre Menschenwürde haben", sagt Andreas Keutgen.
"In Belgien gibt es ein großes Problem mit der Überbelegung und auch die Zustände der Gefängnisse sind teilweise sehr schlecht. Es geht darum, zu schauen, wie die aktuelle Situation ist", um anschließend den Bericht an den Justizminister zu übergeben, der dann reagieren muss, so Keutgen.
Dabei sind die Zustände in den Gefängnissen ja kein Geheimnis. Warum müssen erst die Vorsitzenden der Anwaltskammern eingeschaltet werden, damit Bewegung in die Angelegenheit kommt? "Um Druck auszuüben", sagt Keutgen. "Die Anwaltskammer wird nochmal mehr ihrer gesellschaftlichen Rolle gerecht. Der Anwalt ist dazu da, um den Mandanten zu vertreten und auch um auf die gesellschaftlichen Zustände hinzuweisen - auch hinter den Gefängnismauern. Vor der Gesetzesänderung hatten Parlamentarier die Möglichkeit, das Besuchsrecht auszuüben. Die haben natürlich auch eine gesellschaftliche Rolle. Jetzt ist es eben zusätzlich auch ein Vertreter der Anwaltskammer."
Vorgaben für die Anzahl der Besuche im Jahr gibt es nicht. Theoretisch könnten diese monatlich stattfinden. Die Besuche können stattfinden, sobald einer der Häftlinge eine Anfrage macht. Am internationalen Tag der Menschenrechte wird Andreas Keutgen das Gefängnis von Lantin besuchen - und dieser Besuch soll nicht der letzte gewesen sein.
Lena Orban