Herr Boffenrath, wer so lange mit dabei ist, kann wohl am besten beurteilen, ob die Zeiten für Politiker härter geworden sind?
Ja, es ist anders geworden. Ich habe das Glück gehabt, vor über 30 Jahren die Bürger anders erleben zu dürfen. Der Herr Bürgermeister, damals Bruno Fagnoul, galt als Respektsperson und wurde geachtet und respektiert. Der Umgang war anders. Ich habe jetzt im Laufe der Zeit gesehen, dass die Bürger immer ihre Wünsche äußern und erwarten, dass man ihre Wünsche auch erfüllt. Es wird mehr und mehr unverschämt umgegangen mit Politikern. Ich kenne Kollegen, die auch bedroht wurden, wenn man nicht folgt, wie man es gerne hätte. Die Bedürfnisse sind zwar immer noch die gleichen, aber die Form, in der der Bürger die Bedürfnisse eingefordert haben will, ist schon anders geworden.
Wenn Sie auf diese lange Karriere zurückblicken, gerade auch auf die Zeit als Finanzschöffe, was ist Ihnen da besonders in Erinnerung geblieben?
Ich glaube, eine ganz tolle Sache war der Verkauf des Freyenter Walds an Deutschland. Wir haben da eine sehr, sehr gute Einnahme generiert und konnten dort trotzdem den Wald als Naturschutzgebiet erhalten, weil er in Deutschland unter Naturschutz gestellt wurde. Auf der anderen Seite habe ich als Finanzschöffe, glaube ich, auch einige Entscheidungen getroffen oder mit herbeigeführt, die eine etwas fairere Besteuerung der Bürger in der Konsequenz hatten. Wir hatten viele Missbrauchsfälle von Zweitwohnungsnutzung, obwohl es der erste Wohnsitz war. Wir haben auch bei den leerstehenden Gebäuden sehr oft Fälle gehabt, dass in leer liegenden Gebäuden plötzlich Personen gemeldet wurden, um die Steuern zu entgehen. Wir hatten auch mehrere Großkontrollen, um zu prüfen, ob die Nutzung der deutschen Kennzeichen oder der ausländischen Kennzeichen gerechtfertigt und legal ist. Das gehört auch zum korrekten, ordentlichen Umgang einer Gemeinde, dass jeder sich korrekt an der Steuerlast beteiligt. Dann wird es für alle fairer und besser sein.
Das waren die politischen, sagen wir beruflichen Aspekte. Ich frage mal anders: Was hat in diesen 33 Jahren am meisten Spaß gemacht?
Am meisten Spaß gemacht hat erst mal die sehr schöne, nette, kollegiale Zusammenarbeit, die wir gepflegt haben. Nach jeder Gemeinderatssitzung kehrte man bei "Onkel Jonathan" ein. Das war immer fraktionsübergreifend. Wir haben uns sehr gut verstanden. Wir haben den Umgang miteinander sehr gut gepflegt, aber immer im Fokus das Wohlergehen und die Interessen der Gemeinde und der Bevölkerung gehabt. Es hat sicherlich vor einigen Jahren eine Delle gegeben im Umgang miteinander. Der Grund ist bekannt. Das war schade, dass das passiert ist. Ich habe das den Leuten nicht so übel genommen, wie das viele Kollegen getan haben. Ich wünsche den neuen Leuten, dass wieder angeknüpft wird an dem, wie es mal vor zehn und 15 Jahren war.
Sie sprechen den Koalitionsbruch an, Sie selber waren aber auch jemand, der im Rat nicht immer ein Blatt vor den Mund genommen hat. Gab es da irgendwelche Aussagen, die Ihnen hinterher leidgetan haben?
Nein, das kann ich so nicht sagen. Ich bin sicherlich jemand, der immer gradlinig sagt, was er denkt. Mir sagt man übrigens auch immer gradlinig, was man denkt. Ich bevorzuge solche Art von Umgang miteinander. In der Thematik "Lichtenbusch", ja, klar, da gab es unterschiedliche Ansichten. Da gab es auch irgendwann mal eine Aussage, die ich getätigt habe. Aber man muss halt dann gucken, ob man innerhalb des Gemeinderats eine Mehrheit findet. Dafür war es aber nicht gesagt, dass man den Koalitionsbruch begehen muss.
Wenn wir nach vorne schauen. Was wünschen Sie sich für Raeren für die nächsten Jahre?
Ach, ich wünsche mir eigentlich, dass die Lebensqualität in den Jahren so bleibt, wie sie jetzt ist. Ich wünsche mir, dass wir hier auch weiterhin ein gutes Miteinander innerhalb der Bevölkerung haben. Wir haben das festgestellt, als wir die Corona-Krise hatten. Da waren wir sehr beeindruckt. In Raeren achtet der Nachbar auf seinen Nachbarn, wenn er sich nicht selbst helfen kann. Wir haben ein sehr gutes familiäres Gefüge in Raeren und das wünsche ich mir, dass das auch für die Zukunft so bleibt, damit wir in Raeren eine gute, solide Lebensqualität haben.
Was macht August Boffenrath jetzt?
August Boffenrath macht jetzt gar nichts. Und das ist für viele auch eine Überraschung. Wie kann so ein Mensch einfach rumsitzen und nichts tun? Ich genieße es, Zeit zu haben. Ich genieße es, keine Termine zu haben. Ich habe ja neben meinem Gemeindeengagement auch noch eine leitende Position in einem Unternehmen gehabt, wo ich jetzt über 40 Jahre von Termine zu Termine geeilt bin. Und jetzt bin ich einfach nur glücklich, keine Termine mehr zu haben. Ich will einfach nur frei über meine Freizeit verfügen und ein Rentner sein, der Zeit hat.
Olivier Krickel
Und warum ist das Benehmen vieler Bürger angeblich schlechter als früher ? Die Ursache liegt in der Politik.
Dem Herr Boffenrath wünsche ich einen schönen Lebensabend.