Geboren ist Henriette Kretz im damaligen Polen, heute Ukraine. Ihr Vater: Arzt, ihre Mutter: Anwältin. Eine kleine, jüdische Familie. Zum ersten Mal flieht die Familie nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen nach Lemberg. Da ist Henriette fünf Jahre alt. Doch 1941 holt sie der Krieg auch dort ein. Sie müssen umsiedeln ins jüdische Ghetto Sambor.
Mehrfach kann der Vater seine Familie retten, immer wieder müssen sie sich verstecken. Doch schließlich werden Vater und Mutter erschossen. Sie solle fliehen - das sind die letzten Worte ihres Vaters, bevor Henriette die tödlichen Schüsse hört. Und Henriette rennt - bis sie nicht mehr kann. Sie flieht in ein Waisenhaus, wo sie bis zum Kriegsende versteckt überlebt. Niemals sei sie jemals wieder so einsam gewesen, sagt Henriette Kretz heute.
Sie kommt 1946 nach Antwerpen, unterrichtet 13 Jahre lang Französisch in Israel, kehrt aber nach Belgien zurück. Den Besuch in Eupen haben die Autonome Hochschule und das Robert-Schumann-Institut in Eupen möglich gemacht.
"Das ist die Besonderheit, dass sie dann auch zum ersten Mal in Ostbelgien vor deutschsprachigen Schülern sprechen wird. Sie hat das Ghetto in Sambor überlebt, hat dabei ja wirklich schreckliche Dinge miterleben und ansehen müssen. Sie ist dieser Hölle aber entkommen und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, über ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Vor Schülern in Deutschland usw, aber jetzt eben auch in Belgien."
Heute ist Henriette Kretz 90 Jahre alt. Sie will erzählen von ihrem Leben, wie es war als Jüdin im Holocaust. Shoah, nennt es Henriette. Deutsch ist ihre Muttersprache. Für drei Tage kommt sie nach Eupen, um mit Schülern und angehenden Lehrern auszutauschen.
Damit möglichst viele Menschen ihre Erlebnisse hören können, organisieren RSI und AHS einen Erinnerungsabend. "Sie wird aus ihrem Leben, von ihren Erinnerungen erzählen vor großem Publikum. Diese Veranstaltung ist also öffentlich zugänglich für alle Interessierten, wobei manche Informationen natürlich etwas schwieriger zu verdauen sein werden."
"Da muss man sich schon darauf einstellen. Deshalb wäre das für Grundschulkinder höchstwahrscheinlich noch nichts. Aber Jugendliche, wenn die Eltern das für sinnvoll halten, kann man mitnehmen", so Jenny Möres.
Möglich macht den Besuch das "Maximilian-Kolbe-Werk" mit Sitz im deutschen Freiburg. Ein breites Publikum wolle man erreichen, so die Organisatoren. Aber natürlich sollen auch die älteren Schüler in kleineren Gruppen mit Henriette austauschen können. Das kann für manche Schüler herausfordernd sein - selbst bei guter Vorbereitung. Die Schulpsychologin wird daher die Gruppen begleiten.
Für die Schule sei der Besuch einer Holocaust-Überlebenden eine einmalige Möglichkeit, findet RSI-Direktorin Myriam Wolkener. "Gerade in der heutigen Zeit denken wir, dass die Schüler wirklich die Möglichkeit bekommen sollten, sich dieses Themas anzunehmen in einem geschützten Rahmen, der dann auch die Informationen so liefert, dass sie wirklich richtig sind."
"In unserem Schulleitbild haben wir dieses Thema auch aufgegriffen. Wir möchten die Schüler zu Weltoffenheit erziehen. Wir denken, wir möchten gelebtes Miteinander hier an der Schule leben und deswegen passt das sehr gut in unser Schulleitbild hinein."
"Machen Sie den Saal voll", habe Henriette Kretz sich gewünscht, sagen die Organisatoren. Und das wollen sie gerne tun.
Praktische Infos
"Erinnerungsabend" mit der Holocaust-Überlebenden Henriette Kretz
Montag, 4. November
Robert-Schuman-Institut (RSI) Eupen, Vervierserstr. 89-93,
19 bis 21 Uhr - Einlass ab 18:30 Uhr
Kostenbeitrag: Fünf Euro zugunsten des "Maximilian-Kolbe-Werks"
Anmeldungen sind verbindlich online ... Die Anmeldung ist erst gültig nach Erhalt einer Bestätigungsmail.
Gudrun Hunold
Danke für Ihre Organisation und viel Erfolg 🍀