Gibt es ein Europa-Gen? Oder zumindest doch so etwas wie ein tiefes Bewusstsein für die Vorteile und Segnungen der Europäischen Union - erwachsen aus dem täglichen Austausch über die Grenzen hinweg? Eine Erfahrung, die Menschen, die in Grenzregionen leben, offener macht für das große Ganze - mitgeteilt über Generationen von Grenzpendlern und Grenzbewohnern? Wohl eher nicht.
Wissenschaftler an der Universität des Saarlandes, wie der Soziologe Moritz Rehm, haben die Angaben von rund 25.000 Deutschen aus dem sozio-ökonomischen Panel untersucht, der größten Langzeit-Datensammlung Deutschlands. Diese hatte im Jahr 2020 gefragt, wie stark sie sich Europa emotional verbunden fühlen. "Und dann haben wir einfach mal verglichen, wie Menschen in Grenzregionen auf diese Frage geantwortet haben und Menschen, die in Deutschland im Inland wohnen. Und unser Ergebnis war im Prinzip, dass es zwischen den verschiedenen Gruppen eigentlich keinen Unterschied gibt", erklärt Rehm. "Das heißt, dass Menschen in Grenzregionen sich nicht mit Europa stärker verbunden fühlen als Menschen im Inland - in Deutschland."
Die Forscher, neben Moritz Rehm sind es der Soziologieprofessor Martin Schröder und der Politikprofessor Georg Wenzelburger, waren selbst überrascht. Ihre ursprüngliche Annahme war, dass sich die Bewohner in Grenzregionen stärker Europa zugehörig fühlen als im Binnenland. Generell stehe es darum auf einer Skala von eins bis zehn gar nicht einmal so schlecht, sagt Moritz Rehm. "Der Durchschnittswert in Deutschland war ungefähr bei sieben. Das heißt, dass die Menschen in Deutschland sich eigentlich im Durchschnitt schon auch doch stark mit Europa verbunden fühlen und das auch in den Grenzregionen tun."
Aber mehr eben nicht. Die Forscher legen Wert darauf, dass sie die Situation in Deutschland und damit in deutschen Grenzregionen untersucht haben. Es liegt aber nahe, dass sich das auch auf das Binnenverhältnis in anderen Ländern übertragen lässt. Die Ausgangsvermutung war ja, dass sich der Austausch, die positiven Grenzerfahrungen auch positiv auf die Verbundenheit zu Europa auswirken.
Könnte es also sein, dass diese positiven Grenzerfahrungen durch negative überlagert oder konterkariert werden? "Das heißt, Sie können ganz viele tolle Projekte in Grenzregionen haben, die dazu führen, dass die Menschen sich begegnen. Und dann haben sie vielleicht alle Jahre mal einen Riesenskandal oder ein Riesenproblem an der Grenze, was dazu führt, dass die Menschen eher auf diese Probleme schauen und das Zugehörigkeitsgefühl zu Europa reduziert wird."
Gerade weil die nationalen Unterschiede an den Grenzen aufeinanderprallen oder administrative Hürden deutlicher zu Tage treten, könnte es im Alltag schnell vorbei sein mit der romantischen Vorstellung vom geeinten Europa. All das, sagt Moritz Rehm, gelte es aber noch gründlicher zu untersuchen. "Es könnte natürlich auch durchaus sein, dass es gar nicht um Europa an sich geht, sondern dass es in Grenzregionen eher um so eine binationale oder nationale Identität geht und dass man vielleicht doch auch offener in Grenzregionen ist. Das haben wir alles nicht untersucht, und das gilt es jetzt natürlich weiter zu erforschen."
Sprich: das mal gute, mal weniger gute Verhältnis zum Nachbarn - auch das, wohl wahr, ein weites Feld.
Stephan Pesch
meiner Erfahrung nach erschöpft sich das Interesse in Grenzregionen(bei den allermeisten mit der Frage, wo kann ich billiger einkaufen, ergänzt durch die Frage, in welchem Nachbarland kann ich einkaufen, wenn bei uns ein Feiertag ist. ... Schade. Kaum Interesse auf politischem Gebiet oder anderen gesellschaftlich relevanten Fragen oder Unterschieden.