Die wallonische Regierung und die Bauernverbände haben Gespräche aufgenommen, die den Verwaltungsaufwand in der Landwirtschaft erleichtern sollen. Das war und ist ein wichtiges Anliegen der Landwirte, vor allem der Familienbetriebe. Gehen die Angebote der Regierung in Namur in die richtige Richtung? Ein Interview mit Ingrid Mertes, Geschäftsführerin des Bauernbunds Ostbelgien.
Frau Mertens, sind Sie und sind die Landwirte zufrieden mit den aktuellen Gesprächen in Namur?
Ingrid Mertes: Mit den Gesprächen: ja, mit den Resultaten: nein.
Was ist weiterhin das Problem mit den Resultaten? Warum lassen die so auf sich warten?
Ingrid Mertes: Weil es die schiere Masse ist, die bewältigt werden muss. Man hat jetzt Kataloge gemacht mit 100 Punkten, die angesprochen werden. 60 Punkte sind jetzt noch in der engeren Selektion. Das muss alles abgearbeitet werden. Im Gespräch bleiben, ist dafür sicherlich das richtige Rezept. Aber jede einzelne Sache hat ihre eigene Komplexität. Erstens mal, Belgien mit seinen verschiedenen Entscheidungsebenen, dann die EU mit ihrer Liebe zu Kontrollen und dann ein Beamtenstab, der seit eh und je das so und nicht anders macht. Und die Landwirte, die hoffnungslos überfordert sind mit dieser Masse an Regeln. Ich würde behaupten, kein einziger kennt alle.
Wo drückt denn den Landwirten besonders der Schuh? Wo ist der Leidensdruck besonders groß? Ist das bei den Kontrollen? Ist das bei den Strafen - oder sind es wirklich die Formulare?
Ingrid Mertes: Alles, was man als roten Faden durch ihre drei Fragen legen kann, ist das übertriebene Maß, das ist die schiere Masse. Das ist eine Kontrollwut, ein Mangel an Vertrauen. Aber lassen Sie mich jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass die Bauern gegen Kontrollen sind. Man müsste aber doch wissen, wozu und wofür und was denn gerade. Jeder will ja konform sein, wenn nicht die Masse macht, dass es gar nicht möglich ist, alles zu berücksichtigen.
Sie haben auch mit Minister Antonadis in Eupen gesprochen. In der Raumordnung gibt es ja auch Anliegen der Landwirte. Können Sie da sagen, was die Fragen der Landwirte sind und wie die ersten zwei Gespräche verlaufen sind?
Ingrid Mertes: Das waren gute Gespräche. Der Minister hat sich Zeit genommen und hat sich mit Experten umrahmt. Wir haben die Hälfte der Punkte, die an Beispielen auch illustriert waren, durchgenommen. Was aber immer der rote Faden ist, ist: Hände weg vom landwirtschaftlichen Land. Man kann Beton nicht essen. Man muss irgendwann sagen, das ist nicht die Fläche, wo jeder drauf zurückgreifen kann, nur weil hier eine Straße sein muss und da einer ausweiten will. Man muss das auch irgendwo als heiligen Boden betrachten, der zur Nahrungsmittelerzeugung dient.
Aber sind Sie sich da nicht einig? Ist nicht ein Ansatz der Raumordnung, dass künftig möglichst wenig versiegelt wird ?
Ingrid Mertes: Sie sagen es: möglichst wenig. Wie viel ist möglich und wie viel ist wenig? Das ist uns zu vage.
In Flandern ärgern sich ja die Landwirte, dass Naturschutzverbände landwirtschaftliche Flächen aufkaufen, um dann da eben diese unter Naturschutz zu stellen. Kennen Sie dieses Vorgehen in der DG auch?
Ingrid Mertes: Es gibt auch Verbände, die Natur unter Naturschutz stellen. Und da beklagen wir, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Der, der von sich sagt 'Ich mache Natur', der hat die Öffentlichkeit im Rücken und der hat auch sehr oft die Gesetzgebung im Rücken. Also, im Endeffekt greift man auf die landwirtschaftliche Fläche zurück und die genießt in dem Sinne keinen Schutz. Und das ist unsere Forderung. Wir sind nicht gegen Naturschutzgebiete, wir wollen ein Landwirtschaftsschutzgebiet haben. Beide können sehr wohl nebeneinander leben, wenn jeder in seinen Grenzen bleibt.
Gudrun Hunold