Die Industrie- und Handelskammer Ostbelgien führt seit 30 Jahren eine jährliche Konjunkturumfrage durch. Gefragt wird nach der Geschäftslage des abgelaufenen Jahres und nach einer Prognose für das laufende Jahr. Das Jahr 2023 war für wichtige Sektoren der ostbelgischen Wirtschaft ein gutes Jahr - nicht so gut wie 2022, aber immerhin.
Doch in der Prognose geben das produzierende Gewerbe, der stationäre Handel und auch das Baufach der Wirtschaftslage 2024 nur noch ein "ausreichend bis mangelhaft", was bedeutet: Viele Betriebe blicken pessimistisch in die Zukunft. Nur noch rund 60 Prozent der Unternehmen geben eine Note mit "gut bis zufrieden stellend". Diese Zahlen sind vergleichbar mit denen der Corona-Krise oder der Finanzkrise 2009.
Und dann ist da noch der Negativtrend der internationalen Konjunktur. Das sieht IHK-Geschäftsführer Volker Klinges mit Besorgnis. "Die bereits in 23 schwächelnde Konjunktur wird sich im Jahr 24 auf jeden Fall weiter verschärfen. Und das bedeutet, dass die Gefahr einer verfestigten Wirtschaftskrise gegeben ist. Wir sind durch die Kleinheit natürlich vom internationalen Handel, von der internationalen Aktivität abhängig. Und die internationale Konjunktur beeinflusst uns sehr stark und das geopolitische Umfeld insgesamt. Ich brauche da nur die Ukraine oder auch den Gazastreifen zu zitieren. Die führen dazu, dass viel Unsicherheit im Markt ist. Unsicherheit, Sorgen und Angst sind natürlich Wachstumsbremsen."
Dabei hatte der Gouverneur der Nationalbank just ein optimistischeres Bild der belgischen Wirtschaft gezeichnet. Aber Belgien ist ein Dienstleistungsland, kein Produktionsstandort. Auch landesweit hat das produzierende Gewerbe Schwierigkeiten. "Wir haben rund 28 Prozent der Gesamtbeschäftigten in diesen Sektoren tätig. Das ist doppelt so viel wie in Belgien. Und wenn ich da natürlich die Aussage vom Gouverneur nehme, Industrieproduktion und verarbeitendes Gewerbe werden es schwer haben, dann bedeutet das natürlich für Ostbelgien, dass wir uns in dieser Situation befinden. Und vor dem Hintergrund kann ich dann auch bestätigen, dass sich die ostbelgische Lage natürlich von der in Gesamtbelgien differenzieren kann", erklärt Klinges.
Die Gründe: hohe Kosten - etwa Energie- und Lohnkosten - und der Fachkräftemangel. Allein 25 Prozent der aktiven Bevölkerung Ostbelgiens arbeiten in Luxemburg oder Deutschland. Und dann kommt der demographische Wandel hinzu. Ostbelgien hat eine Ersatzquote von zehn zu vier. Wenn zehn ältere Arbeitnehmer in Rente gehen, kommen nur vier Arbeitnehmer nach.
Für Volker Klinges gibt es vier "Stellschrauben", um diesen Problemen zu begegnen: Aus- und Weiterbildung, mehr Frauen in den Arbeitsmarkt einbinden, Zuwanderung und Standortmarketing sowie Digitalisierung. Alles Elemente, die die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft durchaus in der Hand hat.
Über Steuergesetzgebung und Sozialleistungen entscheide zwar der Föderalstaat, aber die Deutschsprachige Gemeinschaft habe trotz alledem viele Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen zu verbessern, sagt Klinges. "Zum Beispiel das Bildungssystem inklusive natürlich der dualen Ausbildung, für uns ein zentraler Pfeiler der Ausbildungslandschaft in Ostbelgien. Wir brauchen eine unternehmensfreundliche Raumordnung und Energiepolitik."
"Wir müssen bezahlbaren Wohnraum anbieten. Wir brauchen hochwertige, qualitative und quantitative Kinderbetreuung oder auch dann attraktive Familienleistungen. Ein Element, warum natürlich dann gewisse Personen nach Luxemburg pendeln, hat auch mit den Sozialleistungen zu tun. Und Familienleistungen sind eine Zuständigkeit der Deutschsprachigen Gemeinschaft." Und so wird ziemlich sicher die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK auch die künftige Regierung an der Eupener Klötzerbahn noch beschäftigen.
Gudrun Hunold