Es ist der 23. September 2020. Philippe Gorlé, der vorsitzende Richter des Assisengerichts in Eupen, hat gerade das Strafmaß im Mordfall Juppi Lenaerts verkündet. Die 49-jährige Kathrin Hilpert und ihr 31-jähriger Sohn Christian Karkuth werden wegen des vorsätzlichen und mit Vorbedacht ausgeführten Mordes an Juppi Lenaerts verurteilt. Juppi war am 3. Februar 2018 tot in seiner Eupener Wohnung aufgefunden worden.
Zur Tür dieser Wohnung ist Juppis Schwester Jo jetzt sechs Jahre nach dem Mord zurückgekehrt. Grund sind einwöchige Dreharbeiten in Ostbelgien für die juristische Dokumentarserie "Chroniques criminelles" des französischen Senders TFX, der der Gruppe TF1 angehört.
"Für mich ist es schwierig, nach den sechs Jahren. Ich bin nie mehr hier gewesen. Ich habe das irgendwie vermieden, diese Ecke hier, überhaupt noch mal hinzukommen. Aber ich muss sagen, es geht", erzählt Jo Lenaerts. "Ich bin seit einigen Tagen mit diesem Team von TF1 unterwegs, das sind sehr liebe, nette Leute. Es ist schwierig, am Anfang wieder hierhin zu kommen, weil natürlich alles zurückkommt, aber es ist gut. Jetzt ist es gut."
Die französische Journalistin Farrah Youbi realisiert seit vielen Jahren Dokumentarserien über kriminelle Angelegenheiten. Auch Fälle in Belgien werden beleuchtet, da beide Länder nah aneinander liegen. Belgische Sender strahlten ja auch französische Sendungen aus, da sei es als Gerichtsreporterin normal, die Recherchen auf Belgien auszudehnen, sagt Farrah Youbi.
Zustande kam der Kontakt zu Jo Lenaerts über eine belgische Gerichtsreporterin, die den Franzosen den Fall schilderte. Was Farrah Youbi dabei schockierte, war die Brutalität der Taten. Zwölf Axthiebe, ein Mord, der von der Lebensgefährtin in Auftrag gegeben wird, die seit acht Jahren mit ihm wohnt. Auffallend auch die Mutter-Sohn-Beziehung. Wie kann eine Mutter ihr Kind, das sie zunächst seinem Schicksal überlassen hat, in diese Spirale des Horrors hineinziehen?, fragt sich die Journalistin.
Der Dokumentarfilm soll auch Jo Lenaerts die Möglichkeit geben, sich zu äußern und an ihren Bruder zu erinnern. "Gestern hatten wir zwei große Interviews für mich, da sind wir in St. Vith gewesen bei meinem Anwalt. Es war natürlich sehr interessant zu sehen aus heutiger Sicht, wie er das sieht. Das hat mich trotzdem alles sehr mitgenommen, weil da viele Fragen hochgekommen sind, die ich schon vergraben und vergessen hatte - bewusst oder unbewusst. Das war schon hammerhart."
Chantal Delhez
Die Tat ist immer noch unfassbar, an Brutalität und Kälte nicht zu überbieten. Hut ab, liebe Jo, dass Du dies so verarbeiten kannst. Bleibe unbedingt, wie Du bist: authentisch, menschlich, echt 🫂