Es ist sehr schwer, sich ein Bild vom genauen Tathergang in der Mordnacht im Café "A ge Pömpke" zu machen. Denn die einzelnen Versionen der Zeugen, von denen mehrere ja auch Opfer sind, stimmen nicht überein. Das wird aus der Rekonstruktion des Tathergangs deutlich. Diese fand am 14. Januar 2022 statt.
Statisten haben die Rollen der Opfer übernommen. Dabei ist für jede Zeugenaussage ein Kurzfilm entstanden, der den Tathergang aus Sicht des Zeugen schildert. Die Standpunkte und Wahrnehmungen sind recht unterschiedlich. Zwar wird daraus nicht der genaue Ablauf ersichtlich, wohl aber die äußerste Gewalt, die dabei entstanden ist.
Ein Beispiel dafür ist die einzige Kundin, die vor der Kneipe stand, als Benchamsy im Inneren sein Blutbad anrichtet. Als Benchamsy die Kneipe verlässt, sagt er zu der Frau: "Jetzt bist du dran". Er sticht 15 Mal mit einem extrem scharfen Küchenmesser zu, davon sieben Mal in den Bauch.
Zwei Menschen hat er kurz davor umgebracht und fünf weitere schwer verletzt, vier von ihnen erlitten potenziell lebensbedrohliche Verletzungen. Und bislang hat niemand eine Antwort auf die Frage, warum.
Benchamsy sagt immer nur eins: "Ich kann mich nicht erinnern". Auch nicht, nachdem er die Videos der Rekonstruktion gesehen hat. Dem Richter sagte Benchamsy am Dienstag wörtlich: "Es tut mir leid, Ihnen nicht weiter helfen zu können. Ich denke schon seit zwei Jahren darüber nach, wie es dazu kommen konnte, doch ich kann mich nicht erinnern."
Alkoholkonsum und Telefonat
Zum Tatzeitpunkt hatte der Angeklagte 1,87 Promille im Blut. Auf den Bildern der Überwachungskameras der Stadt Eupen sieht man deutlich, dass Benchamsy am Rathaus in Eupen zweimal über die Verkehrsinsel fährt, in der Gospertstrasse fährt er an der Ampel in der falschen Fahrtrichtung über Rot. Und dann fährt er nach Hause und holt das Messer.
Zwischen dem Zeitpunkt, wo er zum dritten Mal das Café "A ge Pömpke" verlässt und ein viertes Mal kommt, um die Bluttat zu vollbringen, liegen 48 Minuten. Danach sieht man sein Auto wieder von der Gospert in Richtung Kaperberg fahren.
Zu seinem Alkoholkonsum sagt Benchamsy selber, ein Telefonat mit seiner Mutter in Marokko habe ihn stark belastet. Dabei ging es um die Tatsache, dass seine Mutter ihn mit fünf Jahren in ein Waisenheim gesteckt hat. Und auch um einen sexuellen Übergriff, als er Kind war.
Zeugenaussagen
Im Nachmittag kamen die Zeugen zu Wort: Da die Opfer als Nebenkläger auftreten, werden sie nicht vereidigt. Von den Opfern sind zwei bei der Tat gestorben, fünf weitere wurden schwer verletzt. Eine Person ist inzwischen verstorben, nämlich die Mutter der Betreiberin von "A ge Pömpke", aber die vier anderen haben am Dienstag ihre Empfindungen geschildert.
Wie bereits zuvor gingen die Beschreibungen der Tatnacht auseinander. Emotional wurde es, als der Richter die Opfer zu den Auswirkungen auf ihr Leben befragte. Die Betreiberin, deren Lebensgefährte das verstorbene Opfer Ralph Duveau war, sagt, sie habe diese schrecklichen Taten seit zwei Jahren im Kopf. Benchamsy solle endlich die Wahrheit sagen und die Verantwortung für die Taten übernehmen. Sie habe immer noch die Bilder im Kopf und das ganze Leid, das er ihr und ihrer Familie angetan habe. Sie habe den Mann ihres Lebens verloren und werde das dem Angeklagten nie verzeihen.
Eine Kundin, die schwer verletzt wurde und mit Ralph Duveau befreundet war, sagte, er sei ein sehr sanftmütiger und lieber Mensch gewesen. Benchamsy habe ihr Leben und das ihrer Kinder zerstört, auch sie sagte, sie werde niemals dem Mann verzeihen, der ihren besten Freund umgebracht hat. Sie hasse ihn zutiefst.
Die Frau, die Benchamsy mit zahlreichen Messerstichen vor der Kneipe verletzt hatte, sagte, sie hoffe, dass er eine gerechte Strafe bekommen werde. Der Mann, der überlebte, erklärte, er brauche sehr viel Zeit, um sich von dem Ganzen zu erholen und habe erneut begonnen, zu trinken.
Am Mittwoch werden der Hausarzt von Benchamsy sowie zwei Gerichtsmediziner, ein Psychologe und unter anderem auch die Frau von Omar Benchamsy aussagen. Am Donnerstag sind unter anderem Leumundszeugen vorgeladen.
cd/rasch