Sie ist ein echter Hingucker: die Riesenstoffkugel des Künstlers Garvin Dickhof. Wenn sie nachmittags durch die Aachener Altstadt rollt, sorgt sie für Aufmerksamkeit. Vier mal vier Meter Durchmesser hat der Stoffball. Er ist in Anlehnung an die vier Tuchreliquien im Aachener Dom entstanden, die in diesen Tagen im Zentrum der Heiligtumsfahrt stehen. Hier wie dort geht es um Erinnerungsstücke. "Jeder Mensch hat einen besonderen Bezug zu einem Kleidungsstück, zu dem, was er trägt, wo er drin schläft, worin er als Kind gewickelt war. Ob es Glaube, Heimat oder Familie ist, alle haben eine Verbindung, etwas, was sie hält."
In einem offenen Aktionsatelier in der Aachener Annastraße ist die Stoffkugel kreiert worden. Die Pilger der Heiligtumsfahrt waren aufgerufen, persönliche Stoffreste und dazu passende Geschichten vorbeizubringen. Nach und nach wurden die Erinnerungsstücke auf einer Grundlage aus Malervlies appliziert. "Ich habe die Fliege meines Vaters eingereicht. Er ist letztes Jahr verstorben. Er war ein leidenschaftlicher Fliegenträger. Immer, wenn ich Fliegenträger sehe, werden liebevolle Erinnerungen an ihn wach", sagt Ulrike Gutmann.
"Das ist eine Uniform eines Schützen aus Rott. Er hat 40 Jahre lang versucht, König zu werden. Als er es dann endlich wurde, ist er kurze Zeit später verstorben", so ein Schütze des Vereins St. Hubertus Rott.
Garvin Dickhof hat Erfahrung mit solchen Stoffkugeln, die er als Kunstaktion bereits für andere Städte gemacht hat. Doch es bleibt für ihn immer spannend. Denn manchmal geht dem Ball die Puste aus. "Wir haben innen noch eine zusätzliche Blase eingesetzt und eine neue Folie reingezogen. Es entweicht immer noch ein bisschen Luft. Es wird zwischendurch immer wieder neu aufgefüllt."
Die Kunstaktion erregt Aufmerksamkeit in der Aachener Innenstadt. Nicht nur Pilger zeigen Interesse. Manche Passanten machen einfach spontan mit. "Ich fand es so interessant und habe mich einfach spontan dazugesellt", sagt ein junger Mann.
"Mich macht das nachdenklich. Wie geht man manchmal mit Dingen um, die man lange geschätzt hat? Die werden einfach weggeschmissen. Das ist manchmal so schade. Wenn ich sehe, dass es eben doch noch eine Verwendung finden kann, finde ich das großartig", erklärt eine Pilgerin aus Solingen.
Garvin Dickhof freut sich, dass seine ungewöhnliche Kunstaktion von vielen Menschen positiv aufgenommen wird. "Wenn man sieht, wie die Leute darauf reagieren. Kinder und Jugendliche laufen mit. Es werden überall Fotos gemacht. Leute stehen in Cafés auf, um besser sehen zu können. Ich denke, das kommt bei den Leuten an."
Die Stoffgeschichten rollen dieses Wochenende nochmal durch die Aachener Altstadt: am Samstag um 17 Uhr und am Sonntag um 16 Uhr.
Michaela Brück