"Objectif Proximité" - recht frei übersetzt: die Förderung des Einzelhandels hat sich die Wallonische Region auf die Fahnen geschrieben. Und wie St. Vith insgesamt 100 Städte und Gemeinden. Dazu gehören auch Eupen, Kelmis, Malmedy und Welkenraedt.
Für neue Geschäftsniederlassungen und jetzt auch für neue Geschäftsideen soll es Prämien geben von bis zu 6.000 Euro. Davon alleine werde sich wohl kaum jemand dazu verleiten lassen, merkte Werner Henkes an - bei einem Vorläuferprojekt hatten nur ein, zwei Interessenten angebissen, die eh schon etwas machen wollten. Der Anreiz sei insofern auch "gut mitgenommen". Bei 20 Prozent Leerstand und der schwierigen Suche nach Geschäftsnachfolgern müsse aber mehr kommen.
Schöffe Marcel Goffinet bestätigte, dass es hier nur um eine unterstützende Maßnahme von mehreren gehe. Es werde auch schon überlegt, ob die Stadt in diesem Fall "nicht noch etwas drauflegen" könne. Die Politik gehe das sensible Thema unter anderem mit der Fördergemeinschaft St. Vith an.
Leerstands- und Ansiedlungsmanagement
Auch Bürgermeister Herbert Grommes räumte ein, dass die nötigen Rahmenbedingungen gesetzt werden müssten. Beim vorliegenden Projekt hätte sich die Stadt gewünscht, dass außer Haupt- und Malmedyer Straße sowie Mühlenbach- und Büchelstraße auch Major-Long- und Heckingstraße berücksichtigt worden wären.
Über eine Studie der Stadtentwicklungsinitiative AMCV ließen sich gegebenenfalls auch neuartige Geschäftsmodelle ansiedeln. Werner Henkes fühlte sich an das Leerstands- und Ansiedlungsmanagement in Deutschland erinnert. Neue Geschäfte müssten ja nicht in Konkurrenz zu dem treten, was schon da sei. Ihm persönlich gehe es jedenfalls nicht darum, "noch zehn Night Shops oder Barber Shops zu haben."
Auf Anregung von Klaus Jousten sollen die Besitzer aller in Frage kommenden Immobilien auch direkt von der Stadt über die Möglichkeiten informiert werden.
Investitionsplan zur Alltagsmobilität angepasst
Mit einem anderen Investitionsplan will die Wallonische Region "aktive Mobilität und Intermodalität" fördern. In der Kurzform heißt der Plan PIMACI und ist nicht zu verwechseln mit PIWACY, der sich ausschließlich auf Radfahrer konzentriert. Hier geht es vor allem auch um Fußgänger und um die "intermodale" Verknüpfung von unterschiedlicher Verkehrsnutzung im Alltag (zum Beispiel in Kombination mit dem Öffentlichen Personennahverkehr).
Ein erster Investitionsplan wurde von der Wallonischen Region in Teilen verworfen: Deutlich wurde, dass in diesem Fall nur sogenannte Alltagswege berücksichtigt werden und nicht in erster Linie touristisch genutzte Strecken (wie der Ravel).
Auch muss die intermodale Anbindung stimmen. Der ins Auge gefasste Parkplatz an der Maria-Goretti-Schule wurde mangels Anbindung der Express-Linie der TEC nicht angenommen. Stattdessen wurde nun der Parkplatz gegenüber dem Zonensitz der Polizei in der Aachener Straße vorgeschlagen.
Der zuständige Begleitausschuss hat auch die Prioritäten neu geordnet. Ganz oben steht die Erneuerung des Bürgersteigs in der Klosterstraße. Dann folgt der Parkplatz in der Aachener Straße. Dann ein Bürgersteig Zum Ortwald in Recht, ein alter Fußweg in Recht, eine Verbindung zwischen der Neundorfer Straße, der Rodter Straße und Stechelsberg sowie ein Fuß- und Radwanderweg von Neundorf zum Gewerbegebiet.
Nicht aufgenommen wurde ein zu teerendes kleines Teilstück in Emmels, das einen Rundweg erlauben würde. Auf Drängen von Herbert Hannen und Werner Henkes könnte das in Eigenregie verwirklicht werden.
Investitionen: ambitioniert oder sehr dürftig?
Die Rechnungsablage 2022, die dem Bürgermeister wieder die Gelegenheit zu einer sehr ausführlichen Präsentation gab, schließt im Ordentlichen Dienst bei Einnahmen von 17 Millionen Euro (einschließlich der Boni vorheriger Jahre) und Ausgaben von 15 Millionen Euro ab. Darin enthalten sind Abhebungen von über 2,2 Millionen Euro - laut Herbert Grommes "der zweitgrößte Betrag in den letzten 30 bis 40 Jahren, nach 2017".
Steigerungen gab es besonders bei den Personalkosten (Index) und bei den Energiepreisen. Zu Buche schlug auch der Anteil am deutlich höheren Defizit der Interkommunalen Vivias und die Übernahme des Defizits der Autonomen Gemeinderegie aus dem Coronajahr 2021.
Im Außerordentlichen Dienst stehen für 2022 Ausgabeverpflichtungen in Höhe von 5,9 Millionen Euro.
Bei der Opposition löste das nicht gerade Begeisterungsstürme aus. Klaus Jousten wiederholte seine Feststellung aus vorherigen Jahren: "nämlich sehr dürftig, viele Subventionen und keine neuen und bahnbrechenden Initiativen".
Auch Herbert Hannen rechnete die tatsächlich verausgabten Summen herunter auf eine Summe, die für ihn "auch nicht unbedingt sehr beeindruckend" sei. Viele Projekte seien ja von Antragstellern eingebracht worden und nicht von der Stadt selbst. Genau das bezeichnete Herbert Grommes aber "als Bürgernähe vom Feinsten".
Möglichst viel fertig haben vor den SEC-Normen
Auch für das laufende Jahr habe die Stadt noch viele Projekte eingetragen, "um so viel wie möglich fertig zu haben, wenn die europäischen SEC-Normen dann doch zur Ausführung kommen sollten." Dann sei es nämlich nicht mehr möglich, auf Mittel aus den Vorjahren zurückzugreifen, sondern gelte nur noch das eigentliche Haushaltsjahr.
Ein Vergleich zum durchschnittlichen Investitionsvolumen in der vorherigen Legislatur, wie ihn Klaus Jousten anstrengte, könne aber erst nach Ablauf dieser Legislaturperiode erfolgen.
Mit Blick auf die Energiekosten, die sich für viele kommunale Einrichtungen verdoppelt hätten, bedauerte Herbert Hannen im Nachinein, dass sich St. Vith bei der Neuausschreibung für Strom der Provinz Lüttich angeschlossen habe. Die Gemeinden Bleyberg und Welkenraedt, die mit der Forderung nach "grünem" Strom selbst ausgeschrieben hatten, erhielten ihn statt der durchaus einkalkulierten Verteuerung jetzt sogar günstiger. Dieses Beispiel gelte es bei einer nächsten Ausschreibung zu beherzigen, empfahl Hannen. In seiner Replik erklärte Herbert Grommes, den Vorschlag auf jeden Fall aufnehmen zu wollen.
Auch mit seiner zweiten Empfehlung stieß Herbert Hannen beim Bürgermeister auf ein offenes Ohr: Die Gemeinde Amel habe bei der Vorstellung ihrer Strategie 26/27 angekündigt, dass sie bei ihrem Windparkprojekt im Wolfsbusch entlang der Autobahn neben den Bürgern auch andere "Personen öffentlichen Rechts" wie etwa Nachbargemeinden beteiligen könne. Hannen sprach von einem "interessanten Angebot", vor allem da es der Stadt bei ihrem eigenen Windpark nicht gelungen sei, eine ähnlich günstige Beteiligung (25 Prozent) auszuhandeln. Herbert Grommes sagte, die Stadt werde diese Idee auf jeden Fall verfolgen.
Stephan Pesch