Der Gewerbepark Avantis liegt direkt auf der deutsch-niederländischen Grenze. Das Ganze ist unscheinbar. Wie in jedem anderen Gewerbepark grüßt am Eingang ein Schild mit den Namen aller Unternehmen, die vor Ort angesiedelt sind. Ganz unten findet man den Slogan "Ingenieure retten die Erde".
"Alle haben immer gesagt: 'Die anderen müssen was machen. Die Politik soll was tun, die Großkonzerne sollen was machen. In Brasilien sollen sie aufhören, den Wald abzuroden.' Das hat mich irgendwann ziemlich angenervt, dass alle immer gesagt haben: 'Die anderen müssen was tun, bevor ich was machen kann.' Und da ich Ingenieur bin, habe ich mir dann gesagt: 'Ich muss was tun'", erzählt Prof. Dr. Achim Kampker. Er hat den Verein 2019 gegründet. Vor knapp 30 Jahren begann er sein Maschinenbau-Studium an der RWTH Aachen. Inzwischen lehrt er selber dort.
Über die E-Mobilität setzte Kampker sich mit der Idee der Nachhaltigkeit auseinander. Kein Wunder, dass Ladesäulen und E-Fahrräder die zukünftige Zukunftsstadt umgeben.
"Wir sind mitten in Europa im Dreiländereck. Das ist, glaube ich, sehr sehr spannend. Und so packen wir auch die Projekte an, beispielsweise Velocity, also dem Pedilec-Verleih. Das haben wir jetzt schon mal über zwei Grenzen zumindest hinbekommen: ein übergreifendes System in Deutschland und den Niederlanden. Ich kann über die Grenze fahren, problemlos. Der Nutzer merkt davon gar nichts", erklärt Kampker. "Wir mussten natürlich im Hintergrund einige Themen rund um Mehrwertsteuer regeln. Aber der Nutzer merkt nichts. Das ist die Idee: Es ist egal, in welchem Land er fährt."
Achim Kampker gründete und führte ein Unternehmen für Elektrofahrzeuge. Das wurde inzwischen von der deutschen Post übernommen. Doch der Blick alleine auf die E-Mobilität sei nicht ausreichend, so Kampker. Er wollte sich nicht mit einzelnen Puzzlestücken beschäftigen, sondern mit dem ganzen Puzzle. Aus dem Verein "Ingenieure retten die Erde" wurde die Idee eines Humanotops hervorgebracht. Eine Modellstadt, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit miteinander verbinden soll. "Ich habe ein Humanotop, eine Siedlung aufgebaut, wo ich beides habe. Das heißt, ich zerstöre nicht die Natur, aber es macht auch marktwirtschaftlich Sinn."
Die Grundzüge der Modellstadt sollen an der deutsch-niederländischen Grenze entstehen. Hier können Start-ups oder Unternehmen, vor allem aus den Bereichen Ernährung und Mobilität, erste Praxiserfahrungen machen. Nicht nur Insekten haben im Humanotop ihre Heimat, sondern auch Doraden, die in einem Aquaponik-Verfahren groß werden. "Wir geben bei den Fischen Futter ein, die Fische verwerten das, wachsen. Und die Fische scheiden bestimmte Nährstoffe aus. Die werden dann zu pflanzenverfügbaren Nährstoffen verarbeitet, zum Beispiel Nitrat. Das pumpen wir rüber zu den Pflanzen und die ziehen das aus dem Wasser", erklärt Johannes Pasch, Angestellter bei Aixponic.
Nur wenige Meter weiter forscht Christoph Ley zu Brennstoffzellen. Er ist Projektmanager bei AE Driven Solutions. Seine Brennstoffzellensysteme sollen später in leichten Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommen. "Hier im Hintergrund kann man sehen, wir haben ein Testsystem mit dem Ziel, die Komponenten ganz einfach austauschen zu können. Das heißt, wir können uns am Markt bedienen. Wir können auch Kunden unterstützen, verschiedene Komponenten einzusetzen und dann unter realistischen Bedingungen zu prüfen."
An dem Standort Humanotop gefällt ihm die Einstellung, das Mindset, wie er sagt. Man helfe sich gegenseitig und bringe sich so nach vorne. Der Nachhaltigkeitsgedanke verbindet, findet Christoph Ley. Auf dem Humanotop hat er die Möglichkeit, die eigene Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit - im Austausch mit anderen - zu testen.
Achim Kampker hofft, dass auch weitere Unternehmen davon angezogen werden und dass sich so die Puzzleteile nach und nach zusammenfügen - am besten auch über die Grenzen hinweg. "Zu Beginn konnte ich mir tatsächlich nicht vorstellen, was alles möglich ist. Das hat sich entwickelt. Das heißt immer mehr habe ich mir die Frage gestellt, während des Studiums und danach, wozu ich das mache. Was ich damit eigentlich alles tun kann. So hat sich schrittweise die Frage aufgebaut: Wozu mache ich das? Was ist der Hintergrund und was die Richtung?"
Die scheint der Ingenieur nun gefunden zu haben. Denn es soll nach vorne gehen im Gewerbegebiet Avantis.
Andreas Lejeune