Lydmila Melezhik ist 76 Jahre alt und hat ihr gesamtes Leben in der ukrainischen Stadt Mykolajiw in der Nähe von Cherson verbracht. Bis letztes Jahr der Krieg ausbrach und ihre Tochter Nathalie sie nach Eupen holen wollte. Zusammen mit weiteren Verwandten ist die 76-Jährige aus der Ukraine geflüchtet - mit dem Bus.
Die Fahrt gestaltete sich teilweise schwierig, erklärt ihre Tochter Nathalie Nazarova, die das Gespräch übersetzt hat. "Es war eine lange Fahrt, hat sie mir erzählt, überall waren Militärkontrollen. Die Straßen waren beschädigt. Es war eine schwere Reise. Nachts durften sie nicht fahren, haben dann in Odessa übernachtet und sind dann am nächsten Tag weiter gefahren."
Seit Mitte März ist Lydmila Melezhik in Eupen. "Es war schwer, aber sie wusste ja, dass ich hier war. Und da keiner wusste, wie lange der Krieg noch geht, ist sie zu mir nach Belgien gekommen."
Zunächst hat sie bei ihrer Tochter gewohnt, relativ schnell wurde ihr aber eine eigene Bleibe angeboten. Auch wenn sie sich hier wohl fühlt, gibt sie die Hoffnung nicht auf, irgendwann wieder in ihre Heimat zurückzukehren. "Sie will natürlich nach Hause, nur merkt sie, dass leider der Krieg schon lange dauert. Sie hat Hoffnung, zurück in die Heimat zu kommen. Sie meint, dass es überall schön sein kann, aber zu Hause ist immer besser."
Wie ein Film
Wenn Lydmila Melezhik über ihre Heimat spricht, wird sie natürlich emotional. Auch während unseres Gesprächs fließen Tränen. Sie kann immer noch nicht glauben, was in ihrem Heimatland seit einem Jahr passiert. "Das tut ihr weh, zu sehen, was in ihrem Land passiert, dass ihre Familie noch da ist. Und für ältere Menschen ist es, glaube ich, nochmal schwerer. Junge Leute können eher abschalten oder sich bewegen. Aber für ältere Menschen ist das schon schwer."
Täglich hat die 76-Jährige noch Kontakt zu ihren Geschwistern, die nach wie vor in der Ukraine sind. Auch Nachrichten verfolgt sie jeden Tag. Bombenalarm ist in ihrer Heimat nach wie vor an der Tagesordnung.
Ein Ende des Krieges sehnen sich beide Frauen schnell herbei. "Wie lange dauert es noch? Keine Ahnung. Jeder wünscht sich, dass der Krieg schnell zu Ende geht. Da eine Prognose zu machen ist schwer. Jeder denkt, das dauert nicht so lange. Auch ich selber kann das immer noch nicht realisieren und verstehen. Das ist für mich wie ein Film. Ich kann es nicht verstehen."
Lena Orban