Ginge es nur nach den Temperaturen, dann könnte auch schon Februar oder März sein. Dabei wurde gerade erst das neue Jahr gefeiert. Das macht jedoch da weiter, wo das alte aufgehört hat. Nämlich mit warmen Temperaturen, die auch BRF-Wetterexperte Karsten Brandt von donnerwetter.de beobachtet. "Wir sind der Zeit sicherlich um vier bis sechs Wochen voraus in Ostbelgien", so Brandt. "Über den Jahreswechsel hatten wir am Weißen Stein 10 Grad, wir hatten 13 bis 15 Grad im Durchschnitt und auch unten in Ostbelgien, in Eupen, viel zu milde Temperaturen."
Und das Wetter wirkt sich direkt auf die hiesige Flora und Fauna aus. Seit einigen Tagen klingelt bei Gerhard Reuter, Mitarbeiter bei Aves-Ostkantone das Telefon. Landwirte berichten von ganzen Schwärmen von Staren. Die haben sich in ihren Ställen niedergelassen, was unter anderem für hygienische Probleme sorgt. "Die milden Winter, die wir jetzt seit einigen Jahren haben, veranlassen die Tiere nicht mehr zu diesem Zug. Sie bleiben dann hier, suchen sich ihre Nahrung in den Feldern und Wiesen", erklärt Reuter. "Die modernen Laufställe sind zugänglich, es ist dort warm und trocken und die Zufütterung des Viehs ist auch für sie eine ergiebige Nahrungsquelle."
Auch andere Tierarten ändern ihr Verhalten aufgrund der aktuellen Temperaturen. Insekten fliegen bereits aus, Igel wachen aus ihrem Winterschlaf auf und auch Fledermäuse legen keine Ruhepause ein. "Das war in den vergangenen Jahren auch schon der Fall, dass die Tiere gar nicht in den arttypischen Tiefschlaf verfallen waren, sondern sich bewegten, auch hörbare Laute von sich gaben", so Reuter. "Das deutet darauf hin, dass die Tiere wirklich nicht in ihrer Ruhephase sind und sie Energie verbrauchen. Und da die Energiereserven ohnehin schon relativ knapp bemessen sind, laufen sie Gefahr, nicht bis zum Frühjahr zu überleben."
Auch in der Flora tut sich einiges - weitaus früher als sonst. Weidenkätzchen öffnen sich, Haselsträucher setzen zur Blüte an. Dass solche Prozesse jetzt schon beginnen beunruhigt Karsten Brandt. "Es ist sehr sehr gut möglich, dass wir schon in den nächsten Wochen wieder mehr Kälte bekommen. Und das ist sehr schlimm für die Natur. Weil die Frosthärte der Gewächse, der Bäume deutlich abnimmt. Sie stellen sich jetzt auf Frühling ein, aber dann kommt der Frost rein und dann gehen sie zum Teil ein."
Einmalige Wetterextreme verkraften die Pflanzen noch, fügt Gerhard Reuter hinzu. Anders ist es, wenn sich diese Extreme wiederholen. Und in unserer Region sind wir schon seit einigen Jahren mit milden Wintern konfrontiert. Eine Tendenz, die laut Karsten Brandt weitergehen wird. "Ich glaube, wir können den Winter bald aus unserem Vokabular, zumindest unten im Eupener Land, streichen."
Für unsere Region und die Natur wird das langfristig Veränderungen mit sich bringen. Die lassen sich jetzt jedoch nur schwer vorhersagen. "Das ist eine sehr komplexe Thematik, weil jede einzelne Veränderung macht sich innerhalb der Ökosysteme bemerkbar und die Verbindungen und die Relationen zwischen den Lebewesen, zwischen den Klimafaktoren, zwischen den Standorten sind sehr komplex", sagt Reuter. "Die gesamte Ausweitung der Veränderung ist nur ansatzweise abzusehen im Moment."
Und trotzdem sollte die aktuelle Entwicklung beunruhigen. "Das zeigt halt den Klimawandel, in die Richtung geht das. Wir werden immer mehr Jahre haben, wo wir keinen richtigen Winter haben, sondern Herbst und dann kommt auch mal eine Wärmewelle, wo wir mal 20 Grad mitten im Januar haben", so Brandt. "Im Prinzip ist das schon so ein bisschen eine Zeitmaschine. Das werden wir in den nächsten Jahrzehnten immer häufiger haben. Leider!"
Andreas Lejeune