"Gerade hier im Süden, wo doch viele Menschen in Luxemburg arbeiten und gut verdienen, herrscht oft das Vorurteil: Wer arm ist, ist faul." Eines von vielen, so Dechant Claude Theiss. Davon wissen auch Sozialorganisationen wie das Rote Kreuz und "Wohnraum für alle" zu berichten. Zusammen mit dem ÖSHZ haben sie sich an das Pastoralteam des Pfarrverbandes St. Vith gewandt, um Unterstützung für ihre Arbeit zu gewinnen.
Im Austausch habe man schnell gemerkt, dass es dabei nicht nur um finanzielle Armut gehe, sondern "dass es auch eine soziale Komponente gibt: einsame, getrennte, alleinerziehende Menschen", so Theiss, "dass es eine gesundheitliche Komponente gibt: Menschen, die chronisch krank sind oder psychisch krank sind, die wissen: Das bleibt an mir haften. Mit dieser Armut muss ich leben".
"Mit Spenden ist es nicht getan"
Neben materieller und sozialer Not gehört auch ein Mangel an Wissen und Bildung dazu, auch an emotionaler Bildung und Zuwendung. Darüber neu und in einem erweiterten Sinn nachzudenken, hat sich der Pfarrverband St. Vith zum Ziel gesetzt. "Wer von uns gibt denn zu, dass er Armut lebt? Da fängt es an. Da spüren wir, dass es nicht so einfach ist, das einzugestehen. Jeder von uns hat irgendwo einen Mangel, den er in sich spürt. Eine Armut, mit der er sich auseinandersetzen muss", gibt Theiss zu bedenken. "Das ist keine einfache Frage. Wir flüchten vor dieser Frage."
Es ist ein Tabuthema, das der Pfarrverband offen angehen will. Zu spenden und die Solidarität auf finanzielle Hilfe zu beschränken, damit sei es nicht getan, so Dechant Theiss. "Ich bin überzeugt, dass richtige Solidarität als Ziel Gemeinschaft hat. Indem wir intensiv Gemeinschaft aufbauen und leben, bekommen viele dieser Formen von Armut eine Antwort und eine Heilungschance."
Den Armen Gehör verschaffen
Menschen, die betroffen sind - entweder persönlich oder durch ihr soziales Engagement -, sollen in der Kirche ein Forum erhalten, um ihre Sicht zum Thema Armut zu schildern. An Stelle der Predigt wird es in den Sonntagsmessen Zeugnisse geben. "Wir werden Menschen aus verschiedenen Bereichen bitten, ein Zeugnis zu geben. Menschen, die engagiert sind, aber auch Menschen, die selbst betroffen sind."
Starten will der Pfarrverband St. Vith am kommenden Sonntag, dem Ersten Advent, wenn das neue Kirchenjahr beginnt. Der Gottesdienst um 10:15 Uhr soll dann ganz besonders gestaltet werden, verrät Dechant Theiss. "Es wird eine lebendige Auseinandersetzung mit Armut werden, wo wir auch einer betroffenen Person virtuell begegnen können und uns davon berühren lassen können."
Durch Plakataktionen, Diskussionen und Präsenz in den Medien soll das Thema Armut das ganze Jahr über in die Öffentlichkeit getragen werden - mit dem Ziel, den Armen Gehör zu verschaffen und dazu beizutragen, dass die Gesellschaft neue Prioritäten setzt.
Michaela Brück