Ortstermin am Montagvormittag. Am Albertkanal in Hermalle-sous-Argenteau bei Lüttich wird gerade eine Ladung gelöscht. 3.000 Tonnen Granit aus Norwegen sind am Morgen beim Unternehmen Victor-Meyer angekommen. Der Betrieb verarbeitet Mineralien, die für Futtermittel, Dünger, Gartenbau oder den Bausektor gebraucht werden. Ein energieintensives Unterfangen, was sich auch auf der Energierechnung widerspiegelt. Die Kosten, um Steinmühle, Motoren und Co. zu betreiben, beliefen sich vor Kurzem noch auf 125.000 Euro pro Jahr. Bald werden es 1,5 Millionen Euro sein, schätzt Geschäftsführer Erwin Victor.
Doch nicht nur das treibt ihm die Sorgenfalten auf die Stirn. Denn auch in der Schifffahrt gehen die Preise durch die Decke. "Verdoppelt wäre wenig. Da waren wir glücklich. Sie haben sich verdreifacht bis versechsfacht. Das heißt Preiserhöhungen von 300 bis 650 Prozent. Spektakulär." Zum einen habe der Umstieg auf sauberere Energiequellen den Schiffmarkt verknappt. Hinzu kommen aktuelle geopolitische Entwicklungen. "Durch die Sanktionen vom Krieg in der Ukraine dürfen wir keine russischen Schiffe mehr beladen. Die sind auch wieder weg. Und das treibt den Preis immer mehr in die Höhe."
Das Gespräch mit den Schiffern, die gerade am Albertkanal haltmachen, bringt noch einen dritten Grund hervor. Denn im Moment werden die Lager mit Kohle gefüllt - sie kann im Notfall als Energiequelle dienen. Das stellt einen weiteren Preistreiber dar. "Seit 2021 ist das eine Katastrophe. Denn die Schiffe fahren gerne Kohle. Wir haben gerade mit dem Schiffer gesprochen. Er hat gesagt, es sind goldene Zeiten für ihn. Aber nicht für uns."
Jährlich ist das Unternehmen auf die Ladungen von 125 Binnenschiffen und 25 Seeschiffen angewiesen. Der Unternehmer versucht zwar, sich breiter aufzustellen - und so werden inzwischen in Hermalle-sous-Argentau auch Spannbetonelemente hergestellt. Doch die Zukunft bleibt trotzdem ungewiss. Vor diesem Hintergrund Investitionen zu tätigen, ist schwierig. Erwin Victor sieht die europäische Industrie bedroht. Der volle Umfang der aktuellen Preissteigerungen sei noch gar nicht beim Endverbraucher angekommen. "Ja, was könnte entlasten? Ein Deckel auf den Gaspreis. Aber auch ein Deckel auf die Steuern, Mehrwertsteuer. All das. Da müsste ein großer Deckel draufkommen."
Für 2023 seien noch Aufträge da - wenn sie denn nicht aufgrund der Entwicklungen zurückgezogen werden. Und darüber hinaus? Erwin Victor fordert die politisch Verantwortlichen dazu auf, das Ruder in die Hand zu nehmen. "Ich hoffe, dass die Regierungen nicht nur sprechen, sondern auch handeln. Da ist großer Bedarf." Die belgischen Schiffer, die Victor-Meyer beliefert haben, kehren am Abend wieder nach Antwerpen zurück. Wie sich die aktuelle Situation entwickelt, kann Unternehmer Erwin Victor nicht sagen - er wisse nicht, wo die Reise hingehe.
Andreas Lejeune