Die Büste Napoleons in der Bonner Bundeskunsthalle ist übersät mit schwarzen Punkten. «Nein, er hatte nicht die Pocken», sagt Kuratorin Bénédicte Savoy. «Es sind Vermessungspunkte, mit deren Hilfe Kopien der Büste angefertigt wurden.»
Da ist der Besucher schon mittendrin in den zwölf Kapiteln der Ausstellung «Napoleon und Europa. Traum und Trauma», die die Bundeskunsthalle von diesem Freitag an bis zum 25. April 2011 zeigt.
Gleich neben dem schwarzgefleckten Objekt erstarrt der Betrachter, ob in Ehrfurcht oder leicht irritiert, vor dem großformatigen Gemälde «Napoleon als thronender Jupiter». Jean-Auguste-Dominique Ingres malte das Bild 1806, zwei Jahre nach der Krönung Napoleons zum Kaiser.
Es ist eine Leihgabe des Musée de l'Armée in Paris, unmittelbar an den Invalidendom grenzend, wo die Gebeine Napoleons die letzte Ruhe fanden. Solche Gemälde beeinflussen das Bild Napoleons bis heute. Einen anderen Bonaparte zeigen zum Beispiel die Bilder von Francisco Goya, Caspar David Friedrich oder des Karikaturisten James Gillray.
Drei Millionen Tote
Im Raum nebenan trifft der Blick auf ein künstliches Gebiss und eine Beinprothese. Daneben steht ein Etui mit Zangen und Sägen. Die Behandlung der Verwundeten der napoleonischen Kriege veränderte auch die Medizin. Zugleich wird erstmals das Leid einer ganzen Generation junger Männer um 1800 verdeutlicht. Im europäischen Schmelztiegel der Grande Armée ließen bis zu drei Millionen Männer ihr Leben.
Ein Schwerpunkt der Schau gilt dem Umgang mit Bildern und Archiven. Dass sich Paris zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem europäischen Mekka der Künste und Wissenschaften entwickelte, lag wesentlich auch daran, dass Kunst- und Archivsammlungen aus ganz Europa in die französische Hauptstadt verschleppt wurden. Zugleich entwickelte sich aber bei den beraubten Völkern Europas eine patriotische Identifizierung mit den gestohlenen Objekten. Das führte schließlich 1814/15 zum größten Restitutionsakt der europäischen Geschichte.
Ein Labor für unzählige Neuerungen der Moderne nennt der Intendant der Bundeskunsthalle, Robert Fleck, die napoleonische Epoche. Die europäische Identität habe dort entscheidende Wurzeln - im Abwehrkampf der Völker gegen das napoleonische Heer ebenso wie in dem friedlichen oder kriegerischen Wettstreit zwischen Gelehrten, Künstlern, Politikern, Heerführern und Unternehmern um die effizientesten Lösungen.
Von Bonn nach Paris
Von März 2012 bis Juni 2012 wird die in der Bonner Kunsthalle seit rund vier Jahren konzipierte Ausstellung in Paris beim Kooperationspartner Musée de l'Armée gezeigt. Es wird die erste Napoleon-Ausstellung in Frankreich seit den 1960er Jahren sein.
Günter Wächter (dpa) - Bild: epa