Das Studium - für viele der erste Schritt ins Richtige Leben. Doch manche nehmen es wohl nicht so genau mit der Anwesenheit. Das sind die sogenannten Scheinstudierenden. Die allgemeine Ansicht auf diese Studentengruppe: Sie besuchen die Vorlesungen nicht und sind eigentlich auch nur eingeschrieben, um vom Semesterticket zu profitieren.
Dieses Bild ist aber zu eng gefasst, sagt Lukas Schnelle vom Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (kurz AStA) der RWTH Aachen. "Natürlich kann man sagen: 'Das sind Leute, die sich einschreiben und dann nicht studieren', aber, was das heißt, ist ja auch immer noch so eine differenziertere Frage. Wenn ich jetzt ein Semester lang keine Vorlesung höre, aber drumherum Vorlesungen höre, weil das halt deutlich einfacher ist - bin ich dann schon Scheinstudierender? Oder, wenn ich vorhatte, zu studieren und es hat dann irgendwie nicht geglückt. Da gibt es einen ganz breiten Bereich, finde ich, der da vertreten ist, in den Scheinstudierenden."
Und damit wären wir auch schon beim nächsten Problem. Denn genaue Angaben über die Gesamtzahl der Scheinstudierenden gibt es auch beim AStA nicht - man ist sich aber sicher: Die Zahl liegt nicht bei Null. Bei 45.000 Eingeschriebenen ist das wohl keine Überraschung.
Aber auch wie sich die Zahlen möglicherweise entwickeln, kann man nicht nachvollziehen. "Ich kann mir aber schon vorstellen, dass die Zahl gestiegen ist, weil natürlich die Mobilität - in den letzten Monaten, aber auch Jahren - einfach teurer geworden ist", soLukas Schnelle. "Das Mobilitätsticket ist - über das Semesterticket - verhältnismäßig günstig und die Hürde, sich einzuschreiben, beziehungsweise, eingeschrieben zu bleiben, obwohl man schon seinen Abschluss gemacht hat, ist relativ einfach und deswegen kann ich mir schon vorstellen, dass die Zahl irgendwo hochgegangen ist, weil wir natürlich auch in den letzten Jahren, als Studierendenschaft und als Hochschule, unsere Unterstützungsangebote hochgefahren haben."
Wie alle anderen auch zahlen die Scheinstudierenden den Semesterbeitrag. Viele von ihnen verzichten aber auf die Angebote der Uni - im klassischen Vorlesungsbetrieb fällt das aber gar nicht auf. Viel Lärm um nichts, könnte man jetzt meinen. So einfach ist das Ganze aber nicht, sagt Lukas Schnelle: "Natürlich kriegt die Uni für Studierende Geld vom Land, um das Studieren zu ermöglichen. Die Frage ist natürlich, an welche Bedingungen das geknüpft ist. Klar, könnte man sich dann überlegen: 'Mehr Geld für die Uni ist besser für die Studierenden', aber das macht natürlich irgendwo auch das öffentliche Bild schlecht und deswegen ist das auch eine ganz große gesellschaftliche Frage."
Zum Beispiel die Angst vor der Arbeitslosigkeit oder Krisen wie die Corona-Pandemie haben die Zahl der Scheinstudierenden wohl erhöht. Generell sind die Gründe, den Schein eines Studiums zu wahren, vielseitig.
Keine einfache Lösung
"Der Schritt zur Einschreibung ist sehr einfach, was ich gesamtuniversitär sehr gut finde, weil wir vielen Menschen ermöglichen möchten, an der Bildung teilzunehmen. Bei diesen Einzelproblemen kann das natürlich dann problematisch werden. Es hat aber auch Vorteile: Zum einen wird man nicht formal arbeitslos, auch bei der Krankenkasse und Steuersachen hat man Vorteile und wenn man sich am Ende bewirbt und da steht, man hat studiert, es aber nicht erfolgreich abgeschlossen, ist das heutzutage auch kein Beinbruch mehr", so Lukas Schnelle. "Ich kann mir daher auch vorstellen, dass einige Leute sagen, dass sie da lieber stehen haben, dass sie studiert hätten, auch wenn sie das nicht haben."
Eingeschrieben zu sein, aber keine Leistungen zu erbringen, ist nicht illegal. Wie man mit den Scheinstudierenden umgehen soll, dafür haben viele deutsche Hochschulen bisher auch keine Antwort gefunden.
"Eine 'einfache' Lösung wäre natürlich, zu sagen: Wer in einem oder zwei Semestern keine Credit-Points gesammelt hat, wird exmatrikuliert. Das ist aber eine sehr schwierige Sache, denn es gibt genug Fälle, in denen es legitim ist, dass Leute es nicht geschafft haben, eine Leistung zu erbringen - aus verschiedensten Gründen. Man müsste also gucken, dass man diesen Einstieg ins Leben auch über andere Wege ermöglicht."
Das Phänomen der Scheinstudierenden wird wohl doch noch bestehen bleiben. Ob es überhaupt einer Lösung bedarf, darüber scheiden sich die Geister.
Lindsay Ahn