Wenn es um ihre Marionetten geht, sind Fritz und Lucie in ihrem Element - die beiden verbindet nämlich nicht nur die Liebe zueinander, sondern auch zu ihren Handpuppen. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass der Flame und die Ukrainerin sich kennenlernten?
Angefangen hat alles in Kiew, vor 22 Jahren. Er war als Lehrer für das Internationale Rote Kreuz aktiv und sie gab Klavierunterricht und hatte nebenher ihr Hobby mit den Marionetten. "Sie sollte Unterricht geben und stand da in der Tür bei den Nachbarn. Ich lud sie ein auf einen Kaffee oder Tee und das war's", erzählt Fritz. Liebe auf den ersten Blick also. Sie heirateten und blieben 15 Jahre lang in der Ukraine, bis sie 2015 entschlossen, nach Belgien zurückzukommen.
Mit ihrem Puppentheater treten die beiden schon seit mehr als zwanzig Jahren auf - zunächst in der Ukraine und dann auch in Belgien. Doch auch von hier aus reisten sie mit ihren Marionetten immer wieder zurück in die Ukraine, um auch dort weiter aufzutreten. "Wir sind zwei bis drei Mal im Jahr in die Ukraine gefahren", sagt Lucie.
"Ein Marionettentheater zu haben, war immer mein Traum, schon mein ganzes Leben", erzählt sie. Das Marionettentheater ist ihr Ein und Alles. Die Ukrainerin studierte in jungen Jahren Musik und Theater in Kiew und lebte immer schon ihren Traum vom Puppentheater. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach ist, waren die beiden mit ihrem Marionettentheater gerade in Kiew.
Sie wollten eines ihrer Stücke präsentieren und ihr Netzwerk erweitern. Sie waren sogar mit dem belgischer Botschafter verabredet. "Es sollte einen Empfang geben. Alles war organisiert. Aber der Krieg ist ausgebrochen. Der Botschafter ist zurück nach Belgien geflüchtet und wir sind da geblieben." Lucie und Fritz blieben erst einmal in Kiew, als sie hörten, dass der Bürgermeister der Stadt, Vitali Klitschko, die Menschen darum bat, ihre Häuser nicht zu verlassen.
"Wir wollten eigentlich weitermachen mit unserer Arbeit, dem Puppentheater, der Kunsttherapie, die wir über Jahre aufgebaut hatten. Wir wollten uns bekannter machen, Sponsoren und Partner finden. Und dann kam der Krieg, wegen dem wir einen Großteil unseres Materials verloren haben. Material, das wir über Jahre gesammelt haben. Wir hatten nur dreißig Minuten, um zu flüchten. Sich zurecht zu finden war sehr schwierig. Verkehrsschilder waren zerstört. Das Navigationssystem am Auto funktionierte nicht."
Es hat insgesamt 15 Stunden gedauert, ehe die beiden die polnische Grenze erreichten. Immer wieder mussten sie vor Bombenangriffen ausweichen und ihre Route anpassen. An der Grenze angekommen, standen sie 15 Stunden im Stau.
Lucies Mutter ist nicht mitgeflüchtet. Für eine ältere Dame wie sie wäre das zu viel gewesen. "Das war die Situation. Ob die Mama mitkommt oder nicht, aber wir wissen schon, dass so eine Fahrt mindestens zwanzig Stunden dauert, um nach Belgien zu kommen. Und die Mama konnte das nicht machen. Sieben Stunden oder zehn Stunden im Wagen sitzen. Das war nicht möglich."
Sie seien jederzeit mit dem Rest der Familie in Kontakt. Und sie wollen zurückkehren, sobald es eben geht. Auch würden die beiden gerne wissen, ob ihre geliebten Marionetten, die sie zurückgelassen haben, unversehrt sind. Rund zwanzig Puppen sind noch in Kiew. Und jede einzelne sei handgemacht.
"Um eine solche Puppe herzustellen, braucht man etwa ein bis zwei Monate. Damit sie so schön wird und an Charakter bekommt wie diese Puppe hier. Eine Marionette hat keine Mimik. Sie muss beweglich sein. In den letzten Jahren haben wir mit 25 Personen zusammengearbeitet, um unsere Stücke zu präsentieren. Ob Schauspiel, Musik oder Licht, für jeden Bereich war jemand zuständig. Und nun ist alles, das ganze Material, da geblieben."
Die Leidenschaft fürs Puppentheater ist übrigens typisch für die Ukraine. "In der Ukraine gibt es in jeder Stadt mindestens ein Puppentheater, eben ein Theater nur für Marionetten." Lucie wünscht sich im Moment nichts sehnlicher, als mit ihren Marionetten in der Region vermehrt auftreten zu können und den Menschen die ukrainische Kultur näher zu bringen.
"Wenn der Krieg zu Ende geht - und daran glaube ich - dann würde ich mich freuen, wenn es zu ukrainisch-belgischen Partnerschaften des Marionettentheaters kommen würde. Auch im Sinne der Kinder wäre so ein Austausch zwischen Belgien und der Ukraine interessant. Die Menschen sind so herzlich und freundlich. Das könnte schön sein."
Fest steht: Lucie und Fritz lassen sich nicht unterkriegen und wollen weitermachen mit ihren Puppen. Eine von ihnen ist immer dabei und hat auch die Flucht nach Belgien mitgemacht: "Das ist ein Quatschmacher. Diese Marionette kommt überall hin mit. Ich habe sie immer in meiner Handtasche. Wenn irgendwo ein Kind weint, packe ich den Quatschmacher aus und sage: 'Na, wie heißt du? Wieso weinst du denn? Du musst nicht weinen'."
Julia Slot