Der fünfjährige Bohdan und der siebenjährige Matvij spielen im Kinderzimmer. Mutter Natalia sitzt im Esszimmer mit der einjährigen Mariia auf dem Schoß. Die ukrainische Familie hat sich gut eingelebt in Wirtzfeld - auch dank der Hilfe im Dorf.
Dabei war die Familie vor wenigen Wochen noch in der alten Heimat Schytomyr. Für sie änderte sich mit dem Krieg alles von einem Moment zum nächsten. "Am Mittwoch war noch alles okay. Und am Donnerstag stehen wir auf und wir hören, dass neben unserer Stadt Schytomyr alles zerbombt ist. Wir waren sehr nervös", erzählt Natalia.
Natalia, ihr Mann und die Kinder fliehen - zunächst in die Nachbarstadt - zu der Schwiegermutter. Nach einigen Tagen will sie das Land dann aber doch verlassen. Ihr Ziel: Büllingen, wo ihre Patentante seit 15 Jahren mit Stephan Keppens lebt. "Natascha hatte angerufen und gefragt, ob sie auch kommen dürfte", erzählt Stephan Keppens. "Und da es zu diesem Zeitpunkt in der Ukraine mit den Bomben losging, haben wir gesagt: 'Natürlich komm!'"
Mit dem Auto fährt Stephan Keppens zur Ukraine, bringt die junge Familie nach Ostbelgien. Natalias Mann bleibt zurück - so wie viele Männer in der Ukraine. Manche wollen das Land verteidigen, andere dürfen nicht fliehen. "Ich habe Kontakt, aber nicht jeden Tag", erzählt sie. "15 Minuten sind genug. Nur um zu hören, dass er nicht tot ist."
Für Natalia und ihre Kinder hat die Gemeinde Büllingen innerhalb einiger Wochen eine Wohnung in Wirtzfeld gefunden. Das ganze Dorf setzt sich für die neuen Nachbarn ein. Über WhatsApp haben sich die Wirtzfelder mobilisiert. Dazu gehört Dajana Andre. "Durch ein Thekengespräch habe ich gehört, dass eine Familie nach Wirtzfeld kommt. Mein Mann und ich wollten mithelfen. Dann hat eine andere Nachbarin gesagt: 'Da können wir bestimmt helfen mit Sachen für die Kinder oder anderen Dingen, die Natalie braucht.'"
Rund zwei Dutzend Leute sind involviert. Und auch in Sachen Integration laufe es in Wirtzfeld gut. "Natalia geht oft zur Nachbarin. Dort spielen die Kinder zusammen", erzählt Dajana Andre. "Das geht ganz alleine ohne unsere Hilfe. Und wir holen Matvij mit zum Fußball."
Bald sollen die Kinder auch zur Schule gehen. Mutter Natalia ist dankbar für die Willkommenskultur in Wirtzfeld. "Ich möchte 'danke' sagen. Vor allem mit drei Kindern ist es so schwer. Aber die Leute müssen gehen, denn es ist so schrecklich in der Ukraine. Die Leute müssen gehen, auch wenn sie nicht wollen."
Für Natalia und ihre Kinder gab es keine andere Wahl. Die Flucht war für sie eine schwere, aber die richtige Entscheidung.
Raffaela Schaus