Es ist ein unscheinbares Buch, das seinen Weg zu Josef Kessel gefunden hat. Für den Hobbyimker und ehemaligen Präsidenten des Eupener Bienenzuchtvereins begann alles mit einem Anruf. "'Hör mal Josef, da wird mir von einem Aachener Imker das Protokollbuch von 1896 vom Eupener Verein zum Kauf angeboten. Bist du daran interessiert als Präsident?' Da habe ich gesagt: 'Klar, bin ich daran interessiert. Es kommt nur darauf an was er haben will und wie das Buch aussieht'."
Gut sah es aus, allerdings waren die Protokolle in Sütterlin geschrieben. Es brauchte jemanden, der die Dokumente ins Deutsche übertragen konnte. Ein glücklicher Zufall machte Josef Kessel mit einer Sütterlin-Lehrerin bekannt, die genau dazu in der Lage war. So wurde das historische Dokument nach zwei Jahren Arbeit für jeden lesbar.
"Man hat ein Spiegelbild von circa drei Jahrzehnten der Eupener Stadtgeschichte und der Umgebung", sagt Josef Kessel. "Was hat sich abgespielt? Der Erste Weltkrieg spielt mit da rein. Wie haben die Leute gelebt?"
Daneben verrät das Protokollbuch viel über die Vereinsarbeit: wie der Honigpreis festgelegt wurde, wann der Verein Schwärme kaufte und versicherte, wann neue Techniken Einzug in die Imkerei erhielten. Hinzu kommen ganz alltägliche Probleme.
9. Oktober 1904 - "Kann ein Zuckerfabrikant gezwungen werden, zum Fernhalten der Bienen an seinen Fenstern Fliegendraht anzubringen, da sonsten für die in der Nähe wohnenden Imker es ausgeschlossen ist, noch Bienen zu halten?"
"Dass die Bienen mitbekommen, dass es irgendwo eine Nahrungsquelle gibt, und dann noch eine mit reinem Zucker oder Zuckerwasser, das ist natürlich das Paradies für Bienen", erklärt Kessel. "Das spricht sich auch schnell rund, das heißt, die haben ihre eigene Methode, ihren Kollegen mitzuteilen, wo das ist. Und innerhalb von einer Stunde haben sie dann tausende Bienen da."
Der Verein löste das Problem übrigens, indem er auf eigene Kosten Fensterdraht im Werte von 20 Mark kaufte und anbrachte. Für Josef Kessel bietet das Buch - über solche Anekdoten hinaus - eine Reihe lehrreicher Inhalte.
9. Januar 1916 - "Auch hatte der Verein es sich nicht nehmen lassen, einige Schenkungen zu machen. Dem Roten Kreuz wurden 36.00 Mark, an Städtische Zwecke 20.00 Mark überwiessen. Sämmtliche Mittgl. hatten die hiesigen Lazarette mit Honig bedacht. Vereinsangehörigen im Feld waren Pakete zugeschickt worden."
"Was wir in der heutigen Zeit gelernt haben, das war einmal, dass der Zusammenhalt da war, aber auch die Spendenbereitschaft da war", so Kessel. "Man hat zum Beispiel, im Ersten Weltkrieg, als man wusste, dass Eupener Bürger im Krieg waren, denen Pakete geschickt. Und es spiegelt sich im Grund das wider, was leider Gottes jetzt wieder der Fall ist."
Josef Kessel gibt sein Wissen und seine Imker-Erfahrung inzwischen an seinen Enkel Daniel Fassbender weiter. Mit Erfolg: Gerade erst haben die beiden alle ihre 13 Bienenvölker durch den Winter gebracht. Warum Daniel Fassbender da macht? "Einmal für die Natur, weil der Mensch braucht die Bienen. Und es ist halt auch schön, die Praxis direkt vom Opa zu lernen, weil Theorie ist nochmal was anderes als Praxis."
Das Protokollbuch wird Josef Kessel mitsamt Übersetzung an das Archiv überreichen, so dass auch die dort enthaltenen Einsichten erhalten bleiben.
Andreas Lejeune