Ein Mädchen läuft durch die Stadt und verteilt fleißig Etiketten - mit einschlägigen Beleidigungen und Beschimpfungen darauf. In der nächsten Szene kommen darunter Verletzungen zum Vorschein. "Wir haben Post-its benutzt mit Beleidigungen und darunter Wunden geschminkt - einfach um klarzustellen, wie sehr Worte verletzen können", sagt Nira, 6. TB Kunst RSI Eupen 1.
"Ich habe mir echt Kunstblut in die Nase geschmiert, damit das sehr realistisch aussieht, weil ich das so realistisch wie möglich rüberbringen wollte. Das Resultat hat sich auf jeden Fall gelohnt", erklärt Aimée aus der gleichen Klasse.
Das kann man wohl sagen. Denn zur Überraschung der Schülerinnen und Schüler der 6. Technisch-Beruflichen Kunst am Robert-Schumann-Institut gab es in der Schule Besuch vom Zentrum für Chancengleichheit Unia - und einen Scheck über 1.500 Euro.
"Bei den einzelnen Preisübergaben haben wir gemerkt, dass die Leute sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Es ist ja nicht immer einfach, zu solchen Themen in den Austausch zu gehen, gerade auch im Schulkontext, weil es eben sehr persönlich, sehr privat ist und da ist auf jeden Fall super schön zu sehen, dass es Dinge anstößt und Debatten und Perspektiven öffnet", erklärt Tina Hendriks vom Zentrum für Chancengleichheit.
Das RSI ist in diesem Jahr eine von vier Schulen in Belgien, die von Unia ausgezeichnet werden. Insgesamt hatten sich 66 Klassen beworben. "In den anderen Jahren waren es auch schon mehr. Wir haben auch gemerkt, dass Corona da eine Rolle gespielt hat, dass es ein bisschen schwieriger war, dass die Leute sich organisierten, um das und das zu machen", erzählt Hendriks.
"Wir können als Unia-Mitarbeiter und -mitarbeiterinnen nicht in alle Schulen gehen. Das ist eben eine Art und Weise, wie wir die jungen Leute für die Themen mobilisieren können, damit sie selbst aktiv werden."
In ihrem Video antworten die Schüler auf die Beleidigungen und Beschimpfungen mit Farbcodes - sie stehen für die unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen. Die Themen Respekt und Chancengleichheit seien auf jeden Fall etwas, mit dem sie in ihrer Lebenswirklichkeit zu tun haben, so Nira.
"Also ich persönlich ja, ich denke die anderen auch. Nicht nur in Hinblick auf Sexualität, worauf sich das Video ja bezieht, sondern auch auf alltägliche Sachen, auf Mobbing, auf alles, was es gibt", erzählt Nira. "Heutzutage bekommt man ja oft mit, dass Leute gemobbt oder diskriminiert werden wegen ihrer Sexualität. Für mich sollte jeder das leben, was man sein möchte und damit nicht konfrontiert werden", findet Aimée.
Mit dem Geld, das sie beim Wettbewerb gewonnen haben, sollen die Schülerinnen und Schüler nun wiederum ein Projekt umsetzen können - zum Thema Menschenrechte.
Stephan Pesch