Outing in der katholischen Kirche ist seit vergangener Woche in unserem Nachbarland ein großes Thema. Denn im Gegensatz zu Belgien gibt es in Deutschland ein kirchliches Arbeitsrecht: Was dabei das Problem ist, erklärt Guido Meyer, Professor für katholische Theologie an der RWTH Aachen: "Es gibt da so einige Passagen, die viel stärker die Identifikation des einzelnen Mitarbeiters mit der Institution Kirche einfordern. Und da liegt das Problem."
Somit werden Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung prinzipiell ausgeschlossen. Dass das in unserer heutigen Zeit so nicht mehr akzeptiert werden kann, finden die Betroffenen, aber auch Bischöfe, die sich bereits dazu geäußert haben.
In Belgien läuft das anders. Hier unterstehen katholische Einrichtungen, wie Schulen oder Krankenhäuser, keinem kirchlichen Arbeitsrecht, sondern dem staatlichen. Die Kirche ist lediglich Träger. Dementsprechend spielt es hier keine Rolle, welche sexuelle Orientierung man bei der Einstellung hat.
Sexuelle Orientierung und Outing sind Themen, die inzwischen auch in der katholischen Kirche in Belgien diskutiert werden, wie Bischofsvikar Emil Piront erklärt: "Hier im Bistum Lüttich hat sich ein Arbeitskreis mit dem Thema beschäftigt, wie wir gleichgeschlechtliche Paare für einen Gottesdienst oder Gebet begleiten können. Dieser Arbeitskreis mit Personen verschiedener Orientierungen hat auch Zeit gebraucht, um sich zu finden und zu entdecken, dass innerhalb dieser Menschen das Verständnis von Partnerschaft nicht so eindeutig sind."
Verstaubt, konservativ und in sich geschlossen - das sind Vorwürfe mit denen die Kirche umgehen muss. Sie braucht einen fundamentalen Wandel, sagt Theologe Guido Meyer. Die katholische Kirche stecke derzeit in einem Tief - möchte sie dort wieder heraus kommen, müsse sie etwas ändern: "Das wird eine riesige Aufgabe sein. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen. Die Frage ist: Haben wir eine Alternative? Die wichtige Frage, die sich dabei stellen wird: Brauchen wir überhaupt eine Kirche? Und da würde ich sagen: Glauben braucht eine Institution."
Der Mensch brauche an dieser Stelle die Gemeinschaft, so Meyer weiter: "Aber die Frage ist, wie wird sich diese Gemeinschaft bilden, nach welchen Prinzipien usw.? Und da ist dann erst mal Großreinemachen angesagt. Eine systemische und fundamentale Umkehr ist dringend gefordert. Aber der Einzelne steht natürlich da in Opposition und sagt: Was will ich warten, ich bin schwul, ich bin queer, ich will auch da leben."
Dass die Entwicklung hin zu einer offenen, modernen Kirche nicht von heute auf morgen geht, unterstreicht auch Guido Meyer. Und auch Emil Piront betont, dass das Zeit brauche: "Jedes Suchen braucht Zeit. Die ganze Thematik um das Akzeptieren von Geschlechtlichkeit hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren enorm gewandelt. Das scheint sehr lange, aber in der Entwicklung der Kirche ist es sehr schnell geschehen. Es braucht Zeit, natürlich nicht ewig lange, aber ein gewisser Prozess ist nötig."
Nicht immer hatte die Kirche einen so heiligen Status, wie sie heute zu haben scheint. Dieser hat sich erst relativ spät entwickelt. "Man glaubt immer, die Kirche sei seit 2000 Jahren eine heilige Institution. Das stimmt nicht. Die Kirche wird erst im 19. Jahrhundert zu einer heiligen Institution und beschreibt sich selber als solche", so Theologe Meyer.
"Die mittelalterliche Kirche war alles andere als heilig. Das ist das Grundproblem. Und diese heilige Kirche steht notwendiger Weise in Opposition zum Staat und auch zu seinen Institutionen. Man hat diese Entwicklung als Anti-Modernismus bezeichnet. Die Kirche definiert sich da immer ein Stück weit in Opposition zur bösen modernen Welt und das ist der ganz tiefe Zahn, den wir der Kirche in Zukunft ziehen müssen."
Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate haben nochmal deutlich gemacht: Ein Wandel in der katholischen Kirche ist längst überfällig. Möchte sie überleben, muss eine Reform her.
Lena Orban
Damit die Kath. Kirche in einer zunehmend säkularen Gesellschaft wieder glaubwürdig wird, halte ich Reformen für dringend erforderlich.
Dazu zählen m.E. eine Stärkung der Synodalität der Kirche, eine freie Wahl von Priestern zwischen einer zölibatären und einer ehelichen Lebensform sowie die Öffnung von Leitungsämtern für Frauen, was die Laienpredigt inkludiert.
Das Kirchenrecht bietet hier durchaus Möglichkeiten, die bereits in einigen deutschen Diözesen angewendet werden.
Eine Weihe von Frauen zu Priesterinnen, für die sich durchaus Argumente ins Feld führen lassen, halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für keine realistische Option, da dies zu einer Kirchenspaltung führen dürfte (die Mehrheit der Katholiken lebt heute in Afrika und Asien, wo man sich anders in dieser Frage positioniert als bei uns).
Die Kirche hat gerade dem modernen Menschen etwas anzubieten, indem sie auf die Vorläufigkeit alles Endlichen und eine Vollendung unseres Daseins in einer transzendenten Dimension jenseits von Raum und Zeit verweist.
Das "Es braucht Zeit" läuft Gefahr, die lange Bank zu werden. Seit Jahrzehnten höre ich "Jetzt nicht, spater". Ich frage: Wann, wenn nicht jetzt?"
Nur durch Druck von außen kann die katholische Kirche reformiert werden. Von alleine werden Papst und die anderen Kirchenfürsten keine grundlegende Reformen beschließen.
Die Möglichkeit zur Erneuerung .. Die neue TOE (theory of every thing) des brasil. Porf Fran de Aquino bietet das und wäre gut geeignet, um dem Menschen zu zeigen, wie was und warum das was 'Glaube' propagiert vom 'Geiste' kommt und einen reale Hintergründe/Ursachen hat. Die einzige Existenzberechtigung eines wahren Priesters (sofern dann noch nötig) ist es dem Menschen die Technik beizubringen, um zu seiner mystischen Erfahrung zu kommen... dies wird den bestehenden Glauben auflösen und Platz für einen neuen besseren Glauben machen. Statischer Glaube, von Oben verordnet und aufgezwungen, das kann und wird nicht funktionnieren ! Leider braucht es manchmal 2000 Jahre bis man das merkt ! Wer Erneuerung will, muss bereit sein alles ini Frage zu stellen !
@Karl-Heinz Calles: Ich vermute, dass viele Bischöfe auf ein positives Signal aus dem Vatikan warten, um Viri probati zu Priestern zu weihen, das es aber so lange nicht geben wird, bis tatsächlich mal ein Bischof in dieser Hinsicht Nägel mit Köpfen macht.
Was würde passieren, wenn bspw. jemand wie Kardinal Marx nicht nur die Notwenigkeit von Reformen hervorhebt, sondern ein Zeichen setzt, indem er verheiratete Theologen zu Priestern weiht, oder Pfarrer, die sich outen, in einer Beziehung mit einer Frau zu leben, nicht länger vom Dienst suspendiert, indem er also offiziell die Zölibatsverpflichtung in seinem Bistum aufhebt?
Wie würde Rom wohl reagieren?
Es ist ja zutiefst skandalös, dass Geistliche, die gegenüber Minderjährigen übergriffig geworden waren, weiterhin in der Gemeindearbeit eingesetzt wurden, während Pfarrer, die sich zu einer Beziehung mit einer Frau bekennen, nach wie vor aller Ämter enthoben werden.
So etwas macht mich offen gestanden wütend und ratlos.
"Viri probati" das muss ein normaler Mensch erstmal googeln. 'Bewährte Manner' steht dann bei Wikipedia "mit vorbildlicher Lebensweise", die bisher nur Diakon werden können. Aber bei einem so absolutistischen Verein hängt ja alles von einem einzigen Mann in Rom ab, bei theoretisch 1,3 Milliarden (ohne gefragt geworden zu sein Getauften), mit schnell steigender Anzahl jedoch nicht praktizierend, die nur in Deutschland offiziell austreten müssen wegen der Kirchensteuer, die der Staat immer noch eintreibt. Da verzichte ich, als moderner Mensch, glatt auf eine "Vollendung meines Daseins in einer transzendenten Dimension jenseits von Raum und Zeit" und erlaube mir während der "Vorläufigkeit meines endlichen Daseins" mich nicht von ein paar alten (vorbildlichen?) Männern bevormunden zu lassen.
Und dann, bei Frauen, hört man auf die Menschen aus Afrika und Asien, die man seinerzeit während der Kolonialzeit (noch so ein Hightlight der christlichen Nächstenliebe) oft zwangsbekehrt hat. NEIN DANKE
Ich fände es gut und richtig, wenn die katholische Kirche anfangen würde, sich vom Jahrhundertstaub zu befreien!
Vor allem, was das Zölibat betrifft!
Jedoch ist das Verheiraten von pädophil veranlagten Männern mit Sicherheit nicht dazu geeignet, deren „ Gesinnung“ zu
ändern, sondern denen dient eine Ehe wohl mehr als Deckmantel für die Widerwärtigkeit ihres Tuns
Herr jusczyk.
Diverse Kircheneformen wären wünschenswert und angebracht wie Abschaffung des Zwangszölibates, Zulassen von Frauen zum Priestertum, Akzeptanz der Homosexualität etc.
Nur mal angenommen, die erwünschten Reformen würden realisiert. Würden dann die "verlorenen Schafe" zurückkehren ? Eine schwer zu beantwortende Frage. Aber ein Versuch wäre es wert.
@HerrnNeumann sehr männlich überheblich Ihre Auffassung. Der Pfarrer nahm sich die Frau, da muss doch die Verliebtheit irgendwo von beiden Seiten gekommen sein, oder wird in der Kirche zwangsgeheiratet? Wohl kaum.
@Frau De Bruecker. Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein, was das Thema kath. Kirche und Pädophilie und Zölibat miteinander zu tun hat, nämlich nichts. Auch im weltlichen Bereich sind sehr viele Pädophile verheiratet, haben gar Kinder, und selbst die werden oft "benutzt". Die Kirche hat eben jede Menge Mängel: Absolutismus im 21. Jahrhundert, Zölibat der Priester, "unbeflecktes!' Frauenbild, Versprechen in eine Zukunft nach dem Tode, die durch nichts zu beweisen ist und in Deutschland sogar ein eigenes, den weltlichen Gesetzen nicht entsprechendes Arbeitsrecht, etc. etc. Das summiert sich, ohne miteinander verpflochten zu sein. Anders als Sie, denke ich allerdings nicht, das es mit "Jahrhundertstaub abstreifen" getan ist.
Ich glaube, dass ich nicht glaube: Jesus Botschaft der Nächstenliebe habe ich immer begriffen, aber alles darüber? Der Heilige Geist, die Dreifaltigkeit? Das Leben im Himmel nach dem Tode? Wenn es dies gibt, stelle ich es mir grauenhaft langweilig vor:da schweben die Seelen so rum. Körperlos...was fängt man mit der Unendlichkeit dann an? Ohne Hände kein Harfenspiel...Mir fehlt dazu einfach der kindliche Glaube und die Fantasie.
Dass alle grossen Religionen, läßt man den Hinuismus mal außen vor mit seinen seltsamen Tiergöttern, zudem von alten fehlbaren Männern geleitet werden, macht die Chose nicht einfacher, "glaubhafter"...
Exakt so sehe ich das auch Herr Zilles - absolute Langeweile im Himmel, derweil die Hölle immer mit 1000 Bildern beschrieben wurde, nicht schön, aber konkret und darum ging es, den Menschen ein Druckmittel verpassen, damit sie gehorchen.
Und Herr Jusczyk, ihre Bemerkung zu "Frauen als Priesterinnen" wundert mich sehr. Auf einmal, wo es den alten Herren in den Kram passt, hat plötzlich das Volk was zu melden und mitzuentscheiden ? Wie anders verstehe ich die Tatsache, dass diese Forderung nicht durchsetzbar sei wegen der größeren Anzahl der Afrikaner und Asiaten in der kath. Kirche, die dagegen sind ? Ganz neue Töne ! Die Kirche ist doch auch auf vielen anderen Punkten nicht zu 100% gleich: christliche Feiertage mit KirchenbesuchPFLICHT unterscheiden sich, wie gesagt, das deutsche Arbeitsrecht wird nur dort unterwandert etc. also könnten auch (wenn man denn wollte) auch das Frauenpriestertum MÖGLICH sein.
Der heutige Vatikan (gegründet 1929) ist einzige Staat in Europa, der noch existiert aus der Zeit des Faschismus (Lateran-Verträge mit Mussolini). Der erste Schritt einer Reform wäre, diesen Staat aufzulösen und in die Stadt Rom einzugemeinden, und somit dem Land Italien einzuverleiben. Jesus sagt "gebt dem Kaiser was des Kaiser ist, und gebt Gott was Gott gehört": Schon die Reformatoren des 16. Jahrhunderts waren sich darüber einig, dass sich ein weltliches Christentum in Form des Papsttums niemals mit christlichen Argumenten der Bibel rechtfertigen lässt. Die katholische Kirche braucht wie jede Institution eine Verwaltung, aber keinen eigenen Staat, wo sich vieles (noch besser) vertuschen lässt.
Nach diesem ersten Schritt können andere Schritte einer Neuorientierung besser realisiert werden.
@Marcel Scholzen-Eimerscheid: Schauen wir uns die Situation im Erzbistum Köln an. In kaum einer anderen deutschen Diözese sind so viele Menschen ausgetreten wie dort.
Nun ist gerade in der Region die alt-Katholische Kirche relativ stark vertreten, wo all die Reformen, die sich viele in der römisch-katholischen Kirche wünschen, längst umgesetzt sind.
Von den vielen Austritten profitieren die dortigen alt-katholischen Gemeinden kaum.
Dies führt zu der Frage: Wo nehmen diejenigen an der Feier der Eucharistie teil, die aufgrund des Missbrauchsskandals oder der Reformunfähigkeit der Institution Kirche den Rücken gekehrt haben?
Könnte es sein, dass sie schon lange zuvor einen Austritt anvisiert und nur nach einer Gelegenheit gesucht haben, die sich ihnen jetzt bot?
In aller Regel wollen jene nichts mehr mit einer institutionalisierten Form der Religionsausübung zu tun haben und treten daher auch nicht in die alt-katholische oder die evangelische Kirche ein.
So wichtig Reformen auch sind: Sie ändern nichts an der fortgeschrittenen Säkularisierung.