Im Schnitt verdient eine europäische Frau 14,1 Prozent weniger Geld als ein Mann. Der durchschnittliche Mann könnte also am Mittwoch aufhören zu arbeiten. Dann hätte er immer noch genau so viel verdient wie eine Frau, die bis Jahresende arbeitet. Genau das symbolisiert der europäische 'Equal Pay Day'.
In Belgien ist der Unterschied etwas geringer, er liegt bei 5,8 Prozent. Im Vergleich ist das vielleicht gut, so Hanan El-Khouri, Geschäftsführerin der Frauenliga. Gut, aber noch nicht gut genug. Und das hat viele Gründe, unter anderem sektorielle. "Frauen sind in geringvergüteten Beschäftigungen, das heißt mehr in Pflegeberufen und im Bildungssektor. Männer sind mehr und verstärkt in gut bezahlten Anstellungen, das heißt im Bereich Wissenschaft, Technologie, Ingenieurswesen, also in den typischen MINT-Fächern."
Hinzu kommt, dass Führungspositionen oft von Männern besetzt sind. Zum einen sind die gut bezahlt, zum anderen habe das auch wieder einen Einfluss auf die Unternehmenskultur, was Frauen den Schritt in den Arbeitsmarkt nicht unbedingt einfacher mache. "Sie werden einfach auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, weil sie schwanger sein und Mutter werden könnten und somit ausfallen."
Doch wie kann diese Ungleichheit gelöst werden? Für Hanan El-Khouri ist es erst einmal wichtig, über das Thema zu sprechen, dafür zu sensibilisieren. Und dann? Klarheit schaffen. "Hier ist es natürlich wichtig, dass eine Transparenz vorliegt. Das heißt, wenn die Gehälter offen gelegt werden, dann wissen die Frauen natürlich auch: 'Ok, die Männer haben dieses Gehalt verhandelt während des Bewerbungsgespräches oder bei einer Gehaltsverhandlung'. Da müssen wir die Frauen noch mehr bestärken, selbstbewusst aufzutreten. Denn das spielt auch eine große Rolle, dass Männer sich besser verkaufen können."
Doch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zieht sich nicht nur durch das berufliche Leben - auch wenn der "Equal Pay Day" genau darauf aufmerksam macht. Auch im Privaten liegen die Gründe. "Frauen verbringen eben weniger Stunden in bezahlter Arbeit und bekommen kein Geld für beispielsweise Sorgearbeit, wenn sie ihre Kinder betreuen."
Genau das hat die Corona-Zeit noch einmal deutlich gezeigt, wie Hanan El-Khouri mit einem einfachen Beispiel deutlich macht: "Eine Frauenbewegung hier in Belgien hatte einen Film gedreht diesbezüglich, dass es niedlich ist, wenn ein Mann sein Kind während der Videokonferenz auf den Schoß nimmt. Aber wenn die Frau alleine ist, und die Kinder die ganze Zeit während der Videokonferenz bespaßen muss, ist das natürlich nicht mehr sexy".
Genau hier liegt ein weiteres Problem. Frauen müssen sich immer noch um einen Großteil der Hausarbeit kümmern, so dass die Karriereleiter erst einmal außen vor ist. Das kann für Hanan El-Khouri nur eins bedeuten: Sorgearbeit gehört in der Familie besser verteilt. Hier sei jeder gefragt. "Ungleichheit betrifft eigentlich jeden in unserer Gesellschaft. Denn wenn wir Ungleichheit haben, dann ist das ein Teufelskreis, den man irgendwann durchbrechen muss. Das kann man nur gemeinsam."
Andreas Lejeune