So hatte sich Luc Gillard den Vorsitz in der Euregio Maas-Rhein sicher nicht vorgestellt, als er am 9. Oktober 2019 den Staffelstab übernahm von der Regio Aachen. Nur Monate später stand auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ganz im Zeichen der Corona-Pandemie - und, so der Vorsitzende, sie hat sich in der Krise bewährt.
Vor allem aus Sicht der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die das Büro der (früheren Stichting) Euregio Maas-Rhein um ihren Geschäftsführer Michael Dejozé beherbergt, erwiesen sich die bestehenden Kontakte über die Grenzen als nützliches und wirksames Instrument - als etwa verstärkte Grenzkontrollen eingeführt wurden, was Grenzgängern und insbesondere den vielen Pendlern im Gesundheitswesen den Weg zur Arbeit zu erschweren drohte.
Ein weiteres Beispiel: die Corona-Testnachweise etwa für Kinder, die im Nachbarland die Schule besuchen. Noch ein Beispiel: grenzüberschreitende Busverbindungen. Hier konnten in Absprache mit den Verkehrsverbünden die Regeln aufeinander abgestimmt werden.
Die nach wie vor zeitlich und teils auch inhaltlich verschiedenen Anti-Covid-Maßnahmen der einzelnen Nationalstaaten hätten ohne das Eingreifen einer Plattform wie der Euregio Maas-Rhein der Grenzbevölkerung das Leben noch schwerer gemacht, ist sich Luc Gillard sicher. Den Menschen im Grenzraum das Leben erleichtern - darin, so Gillard, liege ja gerade der Ursprungszweck dieses Zusammenschlusses mit fünf Partnern in drei Staaten: den beiden Provinzen Belgisch- und Niederländisch Limburg, der Region Aachen, der Provinz Lüttich und der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
So deutlich die Corona-Krise die Vorteile einer solchen Struktur gezeigt habe, so sehr habe sie aber auch den normalen Ablauf der Zusammenarbeit beeinträchtigt, angefangen bei den grenzüberschreitenden Treffen, die bis vor kurzem fast ausschließlich als Videokonferenz liefen.
Die unterschiedliche Gesetzeslage in den drei beteiligten Staaten stellte viele Bürger vor vertrackte Situationen. Auskunft boten zum einen die sogenannten Grenzinfopunkte, zum anderen das "Crossing-Borders"-Tool 2.0. Diese Werkzeuge fanden Nachahmer in anderen Grenzregionen wie dem Elsass oder dem Großherzogtum Luxemburg.
Ein Unglück kommt selten allein
Aus Sicht der Euregio Maas-Rhein und ihres Vorsitzenden zeigte sich dann, kaum dass die Corona-Maßnahmen zu Beginn dieses Sommers weitgehend gelockert wurden und das Reisen wieder möglich wurde, dass ein Unglück selten allein komme. Das Hochwasser vom Juli, das verschiedene Teile der Euregio schwer getroffen hat, erforderte schon insofern eine grenzüberschreitende Abstimmung, als sich die niederländischen Nachbarn im weiteren Verlauf der Maas Sorgen machten, was da auf sie zukommen würde.
Auch bei der Hilfe und Aufarbeitung nach der Katastrophe zahlte sich die Zusammenarbeit aus. Etwa indem deutsche Ingenieure auch in die Hochwassergebiete nach Belgien kamen, um eine erste Schadensabschätzung vorzunehmen.
Sich wie selbstverständlich zur Seite stehen, ohne lange suchen zu müssen, wer wofür zuständig ist, darin sieht Luc Gillard eine der Früchte aus der jahrzehntelangen Zusammenarbeit in der Euregio. Da mache es auch nichts, wenn die Entscheidungsträger, wie während der Corona-Krise, mal längere Zeit nicht physisch zusammentreffen, sondern nur per Videokonferenz. Hauptsache, es gibt Ansprechpartner, mit denen man schnell in Kontakt treten kann.
Generell führten die Kontaktbeschränkungen auch dazu, dass aus der Not eine Tugend gemacht wurde: Bisher unabhängig voneinander funktionierende Systeme wurden vernetzt - die Digitalisierung macht's möglich.
Grenzüberschreitender Austausch
Für das verbleibende Jahr als Vorsitzender der Euregio Maas-Rhein hat sich Luc Gillard noch einiges vorgenommen. Einen Ansatzpunkt sieht er aus der besonderen Sicht der Provinz Lüttich bei der Ausbildung von Feuerwehrkräften - und sei es nur, dass die Leute einander besser kennenlernen, um auf mögliche gemeinsame Einsätze vorbereitet zu sein. Dieses schon mehrfach erprobte Zusammenspiel auch zwischen anderen Rettungskräften und mit der Polizei gelte es noch zu verstärken, findet Gillard.
Der grenzüberschreitende Austausch soll aber auch für die Bürger selbstverständlich sein, mit Besuchen in den Nachbarregionen. Gillard nennt als Beispiel die euregionale Museums Card, die mit Hilfe der Erfahrungen des seit 2019 laufenden Pilotprojekts den Zugang zu möglichst allen Museen und Sammlungen in der Euregio Maas-Rhein erleichtern soll.
In eine ähnliche Richtung gehen die Bemühungen, auf der Grundlage der in jeder Teilregion vorhandenen Daten einen gemeinsamen kulturellen Veranstaltungskalender auf die Beine zu stellen, über den sich ohne Weiteres auch Tickets bestellen ließen.
Aus den Beispielen lässt sich deutlich heraushören, dass Luc Gillard im Kollegium der Provinz Lüttich unter anderem für die Bereiche Zivilschutz und Kultur zuständig ist. Er selbst hat über solche kulturellen Ausflüge im Rahmen seiner Arbeitsbesuche das ein oder andere bei den Nachbarn näher kennengelernt, was ihm bis dahin nur vom Namen her geläufig war.
Und wie schätzt Luc Gillard als Vorsitzender das Zugehörigkeitsgefühl der insgesamt etwa 3,8 Millionen Einwohner in der Euregio Maas-Rhein zu diesem grenzüberschreitenden Zusammenschluss ein? Günstiger shoppen oder eben mal mit dem Rad über die Grenze - das ist für diejenigen, die in den Grenzregionen wohnen, selbstverständlich, weiß Luc Gillard.
Auch bei Konzerten oder Tanzdarbietungen spielen die unterschiedlichen Sprachen kaum eine Rolle - ansonsten ist es aber schon eine Frage der Verständigung. Luc Gillard setzt sich in seiner Rolle als Vorsitzender des Provinzkollegiums dafür ein, dass die Schulen der Provinz Lüttich sich über den Austausch der Sprache des Nachbarn öffnen. Denn als Vorsitzender der Euregio Maas-Rhein weiß er um den praktischen Nutzen.
Stephan Pesch