Dolhain gleicht am Samstag einer Geisterstadt. Hier und da schaut jemand einsam aus dem Fenster der ersten oder zweiten Etage. Auch Marc Hautrive, der direkt an der Weser wohnt, hat sein Haus nicht verlassen. Auch wegen der Plünderer, sagt er. Seine Familie ist nicht geblieben.
Am Tag der Überschwemmungen selbst ist er aber auch nicht im Haus geblieben: "Ich wollte bleiben. Aber meine Frau hat mich gezwungen, zu gehen. Ich höre jetzt von Leuten, die hier geblieben sind, dass sie seit einer Woche nicht mehr schlafen können. Ich glaube meine Frau hat die richtige Entscheidung getroffen, mich zum Gehen zu zwingen."
1,70 Meter hoch stand das Wasser in seinem Keller. Waschmaschine, Wäschetrockner, Tiefkühltruhe und Musikanlage sind zerstört. Gartenhaus, Rasenmäher, Hochbeet und Gartenstühle weggespült. Auch die Gartenzäune der Nachbarn sind, soweit das Auge reicht, verschwunden.
"Viele Häuser sind ja nicht mehr da. Hier war Chaos. Ich schätze mal so wie auch in der Eupener Unterstadt. Wir haben hier die Hölzer aus der Sägerei in Goé mitbekommen, die ganzen Fässer der Butterei Corman, die durch die Gärten und Häuser gegangen sind. Ich schätze, das hat auch viele Schäden verursacht", glaubt Marc Hautrive.
Beim Anblick der Nachbarhäuser versucht Hautrive sein Schicksal zu relativieren. Viele hätte es noch schlimmer getroffen. Er zeigt auf einen Swimmingpool, in dem eine Rasenmähtraktor versunken ist. Der Pool ist noch da, das ganze Haus ist aber von den Fluten weggerissen worden.
Er geht davon aus, dass es noch Jahre dauern wird, bis wieder Normalität in der Gemeinde einkehren wird: "Es gibt keine Geschäfte mehr, keine Sporthalle mehr. Der einzige Saal in der Gemeinde stand unter Wasser. Es gibt keinen Fußballplatz mehr. Alle Karnevalswagen, die in der Halle standen, sind kaputt. Wir haben nicht mal Bock, schauen zu gehen. Wir haben schon genug Stress."
Grund zum Lachen gibt es auch keinen. Denn jetzt kommen noch eine Menge Probleme auf die Hochwassergeschädigten zu. Dabei erwartet Marc Hautrive keine schnellen Lösungen.
Denn nicht nur er braucht Hilfe, einen Termin mit der Versicherung, neue Haushaltsgeräte und Handwerker: "Wir haben keine Heizung mehr, wahrscheinlich bis Ende des Jahres. Die Gasleitungen werden bis mindestens Ende September gesperrt bleiben. Das heißt: kein warmes Wasser, keine warme Dusche, keine Heizung. Das wird ziemlich schwierig."
Seit dem Hochwasser wird viel über die Rolle der Eupener Talsperre diskutiert. Ob ein falsches Management der Talsperre dazu geführt hat, dass die Katastrophe so groß werden konnte, das hat Marc Hautrive auch schon mit seinen Nachbarn besprochen:
"Die Menschen sind geschockt. So etwas hat es hier noch nie gegeben. Viele sind auch sauer auf die Talsperre. Aber man muss prüfen, ob da wirklich Fehler gemacht wurden. Wenn ja, dann ist das, man muss es so sagen: 'Mord'. Es sind so viele Menschen gestorben. Dann müssen die Verantwortlichen dafür zahlen. Aber ob wirklich Fehler gemacht wurden, weiß ich nicht. Ich bin ja kein Experte", sagt Marc Hautrive.
Eine Frage, die noch zu beantworten bleibt. Über Gewissheit würden sich da nicht nur die Anwohner von Dolhain freuen.
Manuel Zimmermann