Landwirtschaft ist für die ehemalige Krankenhausdirektorin nichts Neues. Ingrid Mertes ist auch ausgebildete Betriebsleiterin für Landwirtschaft. Seit 37 Jahren leitet sie mit ihrem Mann Leo den familieneigenen Bauernhof in Breitfeld.
"Was wirklich lustig ist, ist die Tatsache, dass ich zwischen Uni und der Arbeit im Parlament die Betriebsleiterschule vom belgischen Bauernbund gemacht habe und ja, sogar Diplome vom Bauernbund aufweisen kann. Das finde ich ganz lustig, wie das Leben so spielt", sagt Ingrid Mertes.
Das Abschlussdiplom vom Bauernbund stammt aus dem Jahr 1988. Damals war Ingrid Mertes 23 Jahre alt. Doch statt Landwirtin wurde sie zunächst Juristin im Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft und dann Krankenhausdirektorin. Für ihren Mann Leo war das damals eine klare Sache. "Ich hatte in der Zeitung gesehen, dass die Stelle ausgeschrieben war. Da habe ich meiner Frau gesagt: Das ist was für dich!"
Fast 30 Jahre leitete Ingrid Mertes die Klinik St. Josef mit ihren heute 600 Mitarbeitern. Jetzt kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück. "Sie hat immer die Landwirtschaft geliebt. Als sie 18 war und das Abitur fertig hatte, wusste sie nicht, ob sie Jura studiert oder Agronomie. Sie hat sich dann für Jura entschieden. Sie ist eben ein Glückspilz und kann jetzt noch ihren zweiten Traum leben", sagt ihr Mann.
So wird die Breitfelderin am 6. April neue Geschäftsführerin des Bauernbunds Ostbelgien. Ein Job, der viel Fachwissen verlangt. Kein Problem - die 58-Jährige erklärt, wie einige ihrer Kühe eine gute Milchleistung erzielen konnten: "Die haben ihre 100.000-Liter-Lebensleistung gemacht und das ist schon ein besonderer Stolz, wenn du Tiere hast, die 100.000 Liter schaffen."
"Das ist eine Kombination von guter Milchleistung, von Langlebigkeit, und von Gesundheit und Fruchtbarkeit. Im Endeffekt sind das drei Komponenten, die dafür sorgen, dass eine Kuh eine hohe Milchleistung, eine hohe Lebensleistung haben kann. Und da haben wir mehrere 100.000-Liter-Kühe gehabt und in einem Jahr eben drei. Und das ist eine Sache, wo mein Mann sehr stolz drauf ist."
120 Milchkühe leben auf dem Hof der Familie Mertes. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gut gegründet. Einen Nachfolger gibt es nicht, so erleben die Eheleute eines der drängendsten Probleme der Landwirte am eigenen Leib. "Das Höfesterben ist eine Realität wie in allen anderen Berufsgruppen auch. Es gab in jedem Dorf einen Schmied, einen Lebensmittelladen, es gab überall Schreiner. Man hat in vielen Berufsständen diese Globalisierung erlebt und das ist ein Thema."
Ein Drittel der Fläche in der DG wird auch heute noch landwirtschaftlich genutzt. Landwirtschaft ist für Ingrid Mertes strukturgebend. "Keiner möchte die Disteln oder Brennesseln bis zur Haustür wachsen haben. Und irgendwie wird das als gottgegeben angenommen, dass die Landwirte die Landschaft pflegen, Hecken beschneiden, dass unsere Kulturlandschaft so aussieht, wie sie aussieht. Und deshalb hat die gesunkene Anzahl Landwirte sehr viele Komponenten, und das wird auch ein gesellschaftliches Phänomen sein."
Wichtiges Thema auch: der Klimawandel. "Spontan würde ich das an Nummer eins setzen. Letztes Jahr gab es eine sehr geringe Ernte und wenn man noch Reservebestände aus Vorjahren hatte, sind die inzwischen auch größtenteils aufgebraucht, weil halt eben mehrere trockene Jahre nahe beieinander waren."
Von den 607 Betrieben sind 220 dem Bauernbund angeschlossen. Für sie alle möchte Ingrid Mertes Sprachrohr sein. Auf welchen Menschen können sich die Landwirte einstellen? Sie selbst beschreibt sich so: tatkräftig, energievoll, humorvoll, hartnäckig, zielstrebig. Der Landwirt und die Juristin - eine Kombination, die passt. "Auf jeden Fall", findet ihr Mann. Auch in der neuen Konstellation.
dop/km