In vielen Gemeindehäusern hängen sie wie eine Art Ahnengalerie: ehemalige Bürgermeister und verdiente Ratsmitglieder. Warum nicht auch im Kelmiser Gemeindehaus? Die Idee entstand bei den Planungen für das 100-jährige Jubiläum der Ortschaft, die seit Januar 1920 zu Belgien gehört.
"In Kelmis gibt es noch keine Ehrenbürgermeister, Ehrengemeinderatsmitglieder oder Ehrenschöffen, die lange tätig waren, so dass wir uns überlegt haben, beides miteinander zu kombinieren", erklärt der amtierende Bürgermeister Luc Frank, "d.h. zum einen die Ehrenauszeichnungen zu machen für die noch lebenden Bürgermeister, Gemeinderatsmitglieder und Schöffen, zum anderen die Porträts, um die Geschichte lebhaft zu machen und zu zeigen, wer waren eigentlich diejenigen, die die Geschicke der Ortschaft während der letzten hundert Jahre geleitet haben".
Einige von ihnen sind heute noch bekannte Namen, an die man sich erinnert. Doch viele sind auch in Vergessenheit geraten, vor allem die bereits verstorbenen Bürgermeister früherer Jahrzehnte. "Deshalb glaube ich auch, dass es wichtig ist, dass wir uns aktiv damit auseinandersetzen", so Frank. "Das ist auch der Stein des Anstoßes, um weitere Recherchen zu machen. Wie war Kelmis in der neutralen Zeit? Was ist nach dem Ersten Weltkrieg passiert? Wie hat man sich verhalten in den Zwischenkriegsjahren und im Zweiten Weltkrieg? Da gibt es auch noch viele dunkle Seiten, die wir noch nicht kennen."
Die Aufarbeitung der Kelmiser Geschichte haben drei Historiker übernommen. Sie soll sich aber auch in den Porträts widerspiegeln. Dabei sollen die dunklen Seiten nicht ausgeblendet werden. Dazu gehört auch der Bürgermeister, der im Zweiten Weltkrieg von den Nazis eingesetzt wurde. "Es war uns wichtig, dass wir diesen Bürgermeister nicht überspringen", so Frank. "Aber wir haben uns etwas Besonderes einfallen lassen: Er bekommt kein Porträt, sondern nur einen Rahmen."
Die Vorstellung der Porträts und die Verleihung der Ehrentitel sollten eigentlich mit der Eröffnung des neuen Gemeindehauses verbunden werden. Doch nicht nur die offizielle Feier fiel Corona zum Opfer. Der Generalunternehmer, der mit der Instandsetzung des Gemeindehauses beauftragt war, ging zudem in Konkurs, "so dass wir von vorne anfangen mussten und es sich verzögern wird", bedauert Frank.
"Aber wir stellen uns vor, dass das für die Öffentlichkeit zugänglich ist und diese Porträts deshalb auch symbolträchtig im Gemeinderatssaal hängen werden, weil das der Ort ist, wo die Bevölkerung auch Zutritt hat und die demokratischen Debatten stattfinden. Die Vorgänger werden uns also demnächst zuschauen, ob wir auch alles im Sinne der Gemeinde machen."
Die Porträts hat die Künstlerin Thea Doepgen bereits fertiggestellt. Sie müssen nur noch aufgehängt werden. Bürgermeister Luc Frank hofft, dass dies im Rahmen einer offiziellen Feier im September erfolgen kann - wenn die aktuellen Umstände es dann erlauben.
mb/mg
Ehrentitel sind ein Akt der Selbstbeweihräucherung.