Raeren ist die erste Gemeinde Belgiens, die den Haushalt gemäß der neuen EU-Vorgaben vorgelegt hat. Der einheitliche EU-Standard soll bald europaweit staatliche Budgets vergleichbar machen.
Dass Raeren hier Vorreiter ist, liegt an der neuen SAP-Buchhaltungssoftware, die die Deutschsprachige Gemeinschaft einführt. Sie ist nach den neuen EU-Normen aufgebaut. Auch hier spielt Raeren den Vorreiter und hat das neue System als erste Gemeinde eingesetzt. Lontzen soll in Kürze folgen.
Die Finanzlage in Raeren bleibt nach Meinung von Mehrheit und Opposition "komfortabel". Raeren hat in den vergangenen Jahren gut mit dem Geld der Bürger gewirtschaftet und steht finanziell weiter auf soliden Füßen. Soweit herrscht Einigkeit.
Für die CSL-Opposition könnte das Geld sogar noch schneller ausgegeben werden. Jérôme Franssen mahnt an, dass viele Projekte ins nächste Jahr verschoben wurden und Raeren sich überlegen solle, wie in den kommenden beiden Jahren sogar viel mehr investiert werden könne: Die Zinsen seien niedrig und die EU-Vorgaben eröffneten wegen der Corona-Krise zusätzliche Spielräume.
Finanzschöffe August Boffenrath kontert: Viele Projekte liefen bereits, zögen sich aber ins nächste Jahr. Die Hauptstraße ist nur ein Beispiel. Außerdem stoße die Verwaltung an ihre personellen Grenzen, um noch mehr Projekte gleichzeitig umzusetzen.
Schwerpunkte legt die Mehrheit aus Mit uns und Ecolo unter anderem auf die Wegesanierung, den Ausbau der Schule Eynatten-Lichtenbusch oder die Rathausumgestaltung. Statt ins Rathaus würde die CSL lieber in eine Kinderkrippe investieren.
Einigkeit herrschte wieder beim geplanten Windparkprojekt. Das werde bald sehr hohe Investitionen erfordern, dafür aber langfristig wichtige Einnahmen generieren.
Neue Kinderkrippe?
Die Gemeinde Raeren erwägt weiterhin, die Kinderbetreuung in der Gemeinde auszubauen. Das wurde in der Gemeinderatssitzung deutlich. Die CSL-Opposition beklagte, dass die gemeinsame Kinderkrippe mit Lontzen und Kelmis in Hergenrath kaum von Raerenern genutzt würde. Gleichzeitig bestehe in Raeren aber immer noch ein Bedarf an Betreuungsplätzen.
Bürgermeister Erwin Güsting erklärte, dass es auch bei der Deutschsprachigen Gemeinschaft Bereitschaft gebe, über neue Betreuungsangebote in Raeren zu verhandeln. Die Ratsmehrheit könne sich aber auch vorstellen, Kinderbetreuungsplätze in privater Trägerschaft auszubauen. Dabei müsse die Gemeinde dafür sorgen, dass Betreuungsplätze auch für finanzschwache Familien bezahlbar blieben.
Überwachungskameras
Am Kreisverkehr in Eynatten sollen drei neue Überwachungskameras der Polizei helfen, Kriminelle zu verfolgen. Dort sind bereits Kameras installiert, die aber überaltert sind. Außerdem plant die Gemeinde zusätzliche Überwachungskameras in Lichtenbusch in der Nähe der Autobahnabfahrt am Grenzübergang.
In beiden Fällen handelt es sich laut Bürgermeister Erwin Güsting um Punkte mit hoher Kriminalitätsbewegung. Die Polizei setzt darauf, mit Hilfe der Kameras Straftaten wie unter anderem Einbrüche leichter aufklären zu können.
Resolution zur Hilfeleistungszone
Die Gemeinde Raeren fordert die Provinz Lüttich und die Wallonische Region auf, die Hilfeleistungszone DG finanziell stärker zu unterstützen. Zunächst hatte es geheißen, die Provinz erteile die neuen Zuschüsse nur frankophonen Gemeinden.
Inzwischen haben sich Deutschsprachige Gemeinschaft und Provinz aber darauf verständigt, dass die Hilfeleistungszone DG wie alle anderen Zonen in der Provinz finanziert wird. Trotzdem wollen Gemeinden wie Raeren mit der Resolution unterstreichen, dass diese Unterstützung dringend nötig ist.
Laut Gemeindeangaben steigen die gesetzlichen Auflagen für die Rettungskräfte. Daher sei mit höheren Kosten zu rechnen, die die Gemeinden nicht allein tragen könnten.
Subvention für Eupener Tierheim
Raeren unterstützt das Eupener Tierheim mit 5.400 Euro für das kommende Jahr. Wie das Gemeindekollegium im Gemeinderat mitteilte, entspricht das einem Beitrag von 50 Eurocent je Einwohner.
Auf diesen Schlüssel hätten sich die Gemeinden verständigt, die von den Dienstleistungen des Eupener Tierheims profitierten. Die Einigung sei außerdem getroffen worden, bevor die prekäre Finanzlage des Tierheims durch die Presse bekannt wurde, sagte Bürgermeister Erwin Güsting.
Bergscheider Hof und mögliche Live-Übertragung
Die CSL-Opposition in Raeren fordert, dass der Bergscheider Hof schnellstmöglich saniert wird. Weil in der Corona-Krise der Saal nicht genutzt werden könne, sei jetzt das Zeitfenster zu renovieren, erklärte die Fraktion.
Außerdem will die CSL-Fraktion die Gemeinderatssitzung live im Internet übertragen. Kelmis soll hier als Vorbild dienen. Die Ratsmehrheit sieht in Kelmis aber ein schlechtes Vorbild. Die technische Qualität sei mangelhaft und der Aufwand, es besser zu machen, dürfe nicht unterschätzt werden.
Zudem besteht Bürgermeister Erwin Güsting darauf, dass die Sitzung nur live verfolgt werden darf. Er befürchtet, dass abrufbare Aufzeichnungen dazu einladen, dass einzelne Sequenzen aus dem Zusammenhang gerissen werden und Diskussionen dadurch verfälscht dargestellt würden. Auch Ecolo-Schöffe Ulrich Deller warnt davor, eine Ratssitzung zu einer "reinen Show" verkommen zu lassen.
Olivier Krickel