Wenn man von Sozialwahlen spricht, dann geraten sofort die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer in den Fokus. Marc Niessen von der Christlichen Gewerkschaft CSC fasst die Sozialwahlen wie folgt zusammen: "Die Sozialwahlen sind in Belgien alle vier Jahre der Moment, zu dem das Personal in den Betrieben seine Personaldelegation wählen kann. Das bedeutet: in Betrieben von mindestens 50 Mitarbeitern den Rat für Gefahrenverhütung und Schutz am Arbeitsplatz und in Betrieben von mehr als 100 Mitarbeitern den Betriebsrat."
Im Grunde sind die Sozialwahlen recht ähnlich mit politischen Wahlen, findet Renaud Rahier von der sozialistischen Gewerkschaft FGTB. "Der Arbeitnehmer bekommt eine Einladung, wählen zu gehen und wird dann im Unternehmen in einer Kabine geheim seine Präferenzen für die eine oder andere Person oder Liste abgeben", erklärt er. "Anschließend kommt das Ganze in eine Urne, es ist also eine geheime Wahl, die anschließend ausgewertet wird und anhand eines Wahlteilers, genau wie bei politischen Wahlen, wird dann errechnet, wer die Arbeitnehmer vertritt."
Die Wahl weicht in diesem Jahr dann aber sogar ein wenig ab vom normalen Schema. Neben der Wahl in den Unternehmen gibt es auch die Möglichkeit zur Briefwahl, die in diesem Jahr ausgeweitet wurde. So nehmen beispielsweise Risikogruppen und Personen im Homeoffice an der Briefwahl teil.
Das heißt jedoch nicht, dass in den Unternehmen die Wahl ablaufen kann wie sonst. Auch hier müssen Sondervorkehrungen getroffen werden. Große Unternehmen wie beispielsweise das Kabelwerk scheinen da aber gut drauf vorbereitet zu sein. "Es gibt eine große Halle, die Wähler kommen mit Abstand rein, bekommen ihren Wahlzettel ausgehändigt, gehen damit in die Kabine, machen ihre Wahl, legen ihr Dokument in die Urne und bevor der nächste in diese Kabine rein darf, wird komplett desinfiziert", weiß Rahier.
Dass die Wahlen seit dieser Woche stattfinden können, ist nicht selbstverständlich. Gerade auch Unternehmen leiden zum Teil stark unter der momentanen Krisensituation. Immerhin sollen 1,8 Millionen Arbeitnehmer in 7.000 Unternehmen ihre Stimme abgeben. Die Sozialwahlen sind aus diesem Grund im Frühjahr verschoben worden. Jetzt kann man jedoch die Sicherheit bei den Sozialwahlen gewähren und Sicherheit gewähren, das ist in gewisser Weise der Grundgedanke einer jeden Gewerkschaft.
In einer Krise wie wir sie momentan vorfinden, muss man dann aber schon fragen: Können die Gewerkschaften den Arbeitnehmern Sicherheiten bieten? Oder sind die Gewerkschaften zurzeit nur Zaungäste, auf die man auch verzichten könnte? Marc Niessen von der CSC hat da eine klare Meinung. "Wir sind besonders wichtig - sowohl die Rolle der Gewerkschaften alleine als auch der Sozialdialog. Viele Maßnahmen, die uns jetzt helfen über die Krise zu kommen, und die verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen, die eingehalten werden müssen, werden alle auf nationaler Ebene im Rahmen des Sozialdialogs zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern besprochen und sind dort entschieden worden. Gleichzeitig spielen die Personalvertretungen in den Betrieben ebenso eine herausragende Rolle, wenn es darum geht, die Sicherheit am Arbeitsplatz direkt zu garantieren."
Renaud Rahier von der FGTB kann an dieser Stelle wohl nur zustimmen. Gewerkschaften sind auch in der Krise wichtig, denn die Krise endet nicht an dem Tag, an dem alle Menschen wieder gesund sind. Für viele Arbeitnehmer könnte sie dann erst beginnen. "Was uns zurzeit natürlich auch kümmert, ist die Frage: Wie geht es weiter? Wann kommt eine Welle von Betriebsschließungen, wo die Menschen arbeitslos werden und sich auf dem Arbeitsmarkt neu positionieren müssen? Das wird eine Riesen-Herausforderung, das heißt, es gibt viel zu tun."
Gerade in solchen Situationen, in denen Unternehmen vor der Existenzkrise stehen, kann es für die Arbeitnehmer vielleicht wichtig sein, eine starke Gewerkschaftsvertretung im Unternehmen zu stellen.
Robin Emonts