In der Beschlussvorlage ging es darum, das Erbbaurecht von Gemeindeland an eine neue Betreibergesellschaft zu übertragen, damit der bestehende Windpark um vier Anlagen erweitert werden kann.
Das hat die Stadt St. Vith mit dem Promotor AG Windfarm schon länger vor. Im Herbst 2018 stellte dann aber die Gesellschaft PGmbH Saméole Belgique ein eigenes Projekt mit zwei Windrädern auf dem nahe gelegenen Autobahnrastplatz "Emmelser Wald" vor. Beide Projekte stünden in Konkurrenz zueinander. Jedenfalls könnten sie wegen des jeweils anderen nicht so umgesetzt werden wie gewünscht.
Windfarm & Saméole
Aus einer Bürgerinformationsversammlung im November 2018 ging hervor, dass die Bürger das Projekt auf dem Autobahnrastplatz ablehnen. Daraufhin bemühte sich die Stadtratsmehrheit um ein gemeinsames Projekt der AG Windfarm St. Vith (an der die Gemeinde beteiligt ist) und der PGmbH Saméole zur Erweiterung des bestehenden Windparks.
Nachdem sich die PGmbH Saméole lange sehr reserviert gezeigt habe, gab es laut dem zuständigen Schöffen Marcel Goffinet (Neue Bürgerallianz) am Karfreitag dieses Jahres einen "Durchbruch": Eine neue Betreibergesellschaft, an der zu gleichen Teilen Windfarm St. Vith und Saméole beteiligt sind, soll den Bau von vier Windrädern mit einer Nennleistung von 3 bis 3,5 Megawatt in der Verlängerung des bestehenden Windparks tragen.
Die Stadt St. Vith erhält pro Windrad 50.000 Euro Pacht im Jahr, macht zusammen eine wiederkehrende Einnahme von 200.000 Euro. Außerdem werde den Bürgern die Möglichkeit gegeben, sich über das Anleihemodell des "Crowdlending" an der Investition zu beteiligen. Die Gemeinde St. Vith habe zudem ein Vorkaufsrecht, wenn Anteile veräußert werden sollten. Goffinet räumte ein, dass es sich um "harte Gespräche" mit den Promotoren gehandelt habe. Aber: "Die Gemeinde und die Bürger gehen als klare Gewinner aus dem Projekt hervor", so Goffinet.
Opposition wollte nachverhandeln
Das sahen die Vertreter der Opposition anders. Allen voran Herbert Hannen (Liste Solheid) und Werner Henkes (Liste Freches) hielten die Verhandlungsergebnisse keineswegs für so positiv. Ihrer Meinung nach sei deutlich mehr drin gewesen, wenn sich die Gemeinde nicht in eine Position der Schwäche hätte drängen lassen, wo sie doch den Trumpf des Gemeindelandes in der Hand hatte.
Für Herbert Hannen gibt es in diesem "Pokerspiel", in dem es weniger um erneuerbare Energien als um Gewinnmaximierung gehe, einen großen Gewinner - und das sei Saméole. Die Gesellschaft stehe jetzt besser da als mit ihrem ursprünglichen Projekt auf dem Rastplatz. Hannen hätte lieber einen Partner wie Courant d'Air oder eine der anderen Energiegenossenschaften mit im Boot gesehen.
Abgesehen davon, dass die Pacht des Landes für die Windräder ihrer Einschätzung nach höher hätte liegen können, beklagten die Oppositionsvertreter die geringe Kapitalbeteiligung: Laut Referenzrahmen der Wallonischen Region seien hier jeweils 24,99 % für die Gemeinde und für die Bürger drin gewesen, also knapp die Hälfte. Das zeigten ja auch andere Windparkprojekte in der Nachbarschaft. Hier sei man aber "weit entfernt von einer Win-Win-Situation", sagte Werner Henkes.
"Projekt spruchreif"
Schöffe Marcel Goffinet und Bürgermeister Herbert Grommes verwiesen darauf, dass der Referenzrahmen der Wallonischen Region nicht rechtsverbindlich sei. Außerdem habe man es hier im Unterschied zu anderen Windparkprojekten mit zwei Partnern zu tun. Die vereinbarte Pacht von 50.000 Euro pro Windrad liege über dem Durchschnitt.
Laut Grommes dürfe auch der Nutzen für die Umwelt nicht außer Acht gelassen werden. Goffinet erklärte, die Gemeinde stehe auch nicht unter Zeitdruck. Allerdings sei ab 2022 mit Änderungen bei der Vergütung über die sogenannten Grünen Zertifikaten zu rechnen. "Das Projekt ist spruchreif und es wäre eine Schande, wenn es aufgrund des Wegfalls Grüner Zertifikate nicht zustande käme, so der Schöffe.
Zu Diskussionen führte auch, dass die Bürgerbefragung vom 12. Juli in den Ortschaften Emmels und Recht auf die Schnelle und "am Stadtrat vorbei" durchgedrückt worden sei. Die Opposition sprach von einem "illegalen" Vorgang, weswegen man Einspruch bei der Aufsichtsbehörde eingelegt habe. Der Bürgermeister wies das zurück, da es sich nicht um eine Volksbefragung im eigentlichen Sinne gehandelt habe.
Das Ansinnen der Opposition, den Punkt zu vertagen und nachzuverhandeln, wurde von der Mehrheit zurückgewiesen. "Dann gehen wir lieber", erklärte Klaus Jousten (Liste Freches) und verließ zusammen mit den anderen Oppositionsmitgliedern die Sitzung im Großen Saal des Triangel, wo der Stadtrat wegen der Corona-Auflagen tagte.
Stephan Pesch